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Von in InterviewsLesedauer: 8 Minuten
Andreas Sutter, Compliance-Experte bei Disphere Interactive.
Andreas Sutter, Compliance-Experte bei Disphere Interactive. | Foto: Disphere Interactive
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DAS INVESTMENT: Die Schadenssumme durch kriminelle Versicherungsmitarbeiter hat sich 2023 laut Bafin auf 22,6 Millionen Euro verdreifacht. Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptgründe für diesen drastischen Anstieg?  

Andreas Sutter: Lässt man die statistischen Betrachtungen, die auch die Bafin an dieser Stelle vorgetragen hat, außen vor, gibt es mehrere mögliche Gründe für diese Entwicklung. Eine Erklärung liefert zum Teil die Methodik des Fraud Triangle von Donald R. Cressey. Kurz gefasst erklärt dieses Modell die Entstehung doloser Handlungen durch die drei Bereiche Druck und Motiv, Gelegenheit sowie persönliche Rechtfertigung.

Der Begriff der dolosen Handlungen (nach lateinisch dolosus: arglistig, trügerisch) fasst in der Fachsprache alle zum Schaden des Unternehmens vorsätzlich durchgeführte Handlungen, wie Untreue, Bilanzmanipulation oder Unterschlagung, zusammen. Wirtschaftliche Entwicklungen und politische Unsicherheiten erhöhen sehr wahrscheinlich den Druck beziehungsweise die Motivlage der Täter, eine negative Unternehmenskultur hingegen verhilft den Tätern schneller zu einer persönlichen Rechtfertigung für die Taten. Bietet der Versicherer durch unzureichende Kontrollen oder andere Schwachstellen auch noch die Gelegenheit zur Tat, besteht ein hohes Risiko für Taten.

Hinzu kommt, dass es bei jeder Statistik zu Straftaten ein Dunkelfeld gibt, das nur geschätzt werden kann. Das ist auch in diesem Fall so. Eine unbekannte Zahl von Taten bleibt vermutlich unentdeckt oder wird auf anderer Ebene, zum Beispiel im Vertriebsweg verarbeitet, sodass die Versicherer-Compliance gar keine Kenntnis erlangt. Das bedeutet aber, dass ein Anstieg der gemeldeten Taten auch auf ein verbessertes Monitoring einzelner Versicherer zurückzuführen sein kann. Ein Anstieg der Zahlen kann also auch darauf hindeuten, dass Versicherer ihre Compliance-Maßnahmen verbessert haben. 

Besonders auffällig ist, dass neun „sonstige Vermittler" allein für über 9 Millionen Euro Schaden verantwortlich waren. Welche Schwachstellen im Kontrollsystem machen solch hohe Einzelschäden möglich?

Sutter: Über die Hintergründe dieses Schadensfalls ist nichts öffentlich bekannt, daher kann man nur mutmaßen. Denkbar sind viele Szenarien, in denen Täter die Schwachstellen in der Vertriebs-Compliance massiv ausnutzen. Fehlt es dann an geeigneten Maßnahmen zum Monitoring und zur Betrugserkennung, kann diese Schwachstelle auch mit einem hohen Schaden oder hoher Frequenz ausgenutzt werden, bevor sich die Täter vielleicht auch aus dem Staub machen. Uns sind aus der Beratungspraxis viele mögliche Schwachstellen bekannt. Diese möchte ich hier aber nicht öffentlich machen, um nicht falsche Anreize zu setzen. 

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„Von schnellen Vertriebserfolgen geblendet“

Die Zahl der Betrugsfälle ist nur leicht gestiegen, während die Schadenssumme explodierte. Deutet das auf eine neue Qualität der Betrugsmethoden hin?

Sutter: Es sind für uns bezüglich des Bereichs der Innentäter keine wirklich neuen Trends erkennbar. Denkbar ist eher, dass Versicherer unter zunehmendem wirtschaftlichen Druck und den damit verbundenen Umsatzzielen die eigenen Maßnahmen, insbesondere im Bereich der Vertriebs-Compliance, vernachlässigen. Unverändert scheinen sich einige Versicherer von kurzfristigen, schnellen und hohen Vertriebserfolgen schnell blenden zu lassen. 

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