Anlagechef Jean-Marie Mercadal
Druck auf Unternehmen
Aktualisiert am 25.02.2021 - 16:37 Uhr
Jean-Marie Mercadal ist Anlagechef der französischen Fondsgesellschaft OFI Asset Management. Foto: OFI AM
Corona trifft die Wirtschaft mit voller Wucht. Jean-Marie Mercadal, Anlagechef der französischen Fondsgesellschaft Ofi Asset Management, sieht jedoch auch positive Seiten der Pandemie. Dazu zählen unter anderem soziale Aspekte im Unternehmensmanagement.
Der Wirtschaftsliberalismus und die Globalisierung, die weite Teile unsere Wirtschafts- und Gesellschaftslebens in den vergangenen 30 Jahren geprägt haben, sind durch die Corona-Krise an ihre Grenzen gestoßen. Erstmals geben wir dem gesundheitlichen Wohl jedes einzelnen Vorrang vor dem Aufrechterhalten des Wirtschaftslebens.
Die Krise wirft auch ein Schlagschlicht auf die soziale Verantwortung von Unternehmen und verschiebt den Fokus weg vom Shareholder Value auf andere Stakeholder wie Mitarbeiter und Lieferanten. Aus meiner Sicht sind dies Anzeichen für einen Wandel weg vom freien Spiel der Märkte und hin zu mehr Sozial- und Solidarwirtschaft, die mit positiven Entwicklungen insbesondere...
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Der Wirtschaftsliberalismus und die Globalisierung, die weite Teile unsere Wirtschafts- und Gesellschaftslebens in den vergangenen 30 Jahren geprägt haben, sind durch die Corona-Krise an ihre Grenzen gestoßen. Erstmals geben wir dem gesundheitlichen Wohl jedes einzelnen Vorrang vor dem Aufrechterhalten des Wirtschaftslebens.
Die Krise wirft auch ein Schlagschlicht auf die soziale Verantwortung von Unternehmen und verschiebt den Fokus weg vom Shareholder Value auf andere Stakeholder wie Mitarbeiter und Lieferanten. Aus meiner Sicht sind dies Anzeichen für einen Wandel weg vom freien Spiel der Märkte und hin zu mehr Sozial- und Solidarwirtschaft, die mit positiven Entwicklungen insbesondere im Bereich des Gesundheitswesens, der Technologienutzung, der Logistik und der Wertschöpfungskette von Unternehmen einhergehen.
Eine große Herausforderung für Regierungen ist dabei die Reduzierung der drastisch gestiegenen Staatsausgaben und des öffentlichen Defizits. Die westliche Welt und insbesondere Europa erleben eine „Japanisierung“ mit massiver Staatsverschuldung, die größtenteils von den Zentralbanken und den Sparern im Inland finanziert wird. Staaten stehen vor der Wahl, die Schulden entweder nicht zurückzuzahlen und sie bis ins Unendliche zu erneuern – oder sie erhöhen die Steuern, was aber meiner Meinung nach keinen Sinn ergibt.
Um die steigenden öffentlichen Ausgaben zu reduzieren, dürfte das Konzept der privat-öffentlichen Partnerschaften (PPP) neu aufleben – und das auch für Bereiche, die nicht originär staatlich sind. Die Gesundheitsinfrastruktur gehört genauso dazu wie die Lebensmittelsicherheit und der landwirtschaftliche Sektor, nationale Logistiksysteme und insbesondere Telekommunikationsnetzwerke wie Hochschnelligkeitsinternetleitungen sowie deren landesweite Abdeckung.
Krise als Katalysator für den Klimaschutz und Soziales
Außerdem hat die Corona-Krise gezeigt, wozu die Gesellschaft in der Lage ist, wenn sie unter Druck gerät. Vergleichbare Anstrengungen sollten auch für den weltweiten Kampf gegen die Erderwärmung möglich sein. Denn die Krise hat uns die Dringlichkeit des Klimaschutzes vor Augen geführt: Zum einen haben wir gesehen, wie desaströs der Zustand unserer Umwelt ist, zum anderen konnten wir beobachten, wie verblüffend schnell sich die Umwelt erholen kann, wenn wir gezwungenermaßen eine Pause einlegen.
Auch hier geraten Unternehmen zunehmend unter Druck, ihren Beitrag zum Klimaschutz beizutragen. Beispielsweise schaut die Öffentlichkeit kritischer auf Sub-Unternehmen und ihre Arbeitssicherheitsstandards sowie ihre CO2-Bilanz. Möglich ist auch, dass Unternehmen zukünftig vom Staat über Steuern sanktioniert werden, wenn sie ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft nicht gerecht werden.
Die Reduktion von Kohlenstoffemissionen und der Handelskrieg zwischen China und den USA haben das Thema der Produktionsrückverlagerung wieder auf die Agenda vieler Unternehmen und Regierungen gebracht. Die Coronakrise erhöht den Druck noch einmal, indem sie Gefahren für die Versorgungssicherheit durch die Abhängigkeit von anderen Staaten aufzeigt.
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