Anlagechef Jean-Marie Mercadal
Druck auf Unternehmen
Aktualisiert am 25.02.2021 - 16:37 Uhr

Jean-Marie Mercadal ist Anlagechef der französischen Fondsgesellschaft OFI Asset Management. Foto: OFI AM
Corona trifft die Wirtschaft mit voller Wucht. Jean-Marie Mercadal, Anlagechef der französischen Fondsgesellschaft Ofi Asset Management, sieht jedoch auch positive Seiten der Pandemie. Dazu zählen unter anderem soziale Aspekte im Unternehmensmanagement.
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Der Verlust von Know-how und die Untergrabung des sozialen Gefüges sind nur zwei Aspekte von vielen. Unternehmen dürften nun ihre Geschäftsstrategien neu ausrichten und ihre Wertschöpfungsketten verkürzen. Die Krux dabei: Sie müssen mit beispielsweise höheren Arbeits- und Ausbildungskosten in den westlichen Ländern rechnen, was diesen Prozess bremsen könnte. Nur Unternehmen in Sektoren, in denen der Einsatz von Automatisierung und Robotik sinnvoll ist, werden diese Entwicklung schnell vorantreiben können.
Das Thema der Produktionsrückverlagerung wird sicherlich auch die Arzneimittelherstellung und die gesamten Vertriebs- und Logistikbranche verändern. Wir halten es auch nicht für ausgeschlossen, dass die Tourismusbranche umdenken wird – mit potenziell negativen Auswirkungen auf Fluggesellschaften und Kreuzfahrtschiffe. Internationale Touristen, insbesondere aus China, könnten sich auf ihr eigenes Land rückbesinnen und damit im Inland einen Boom auslösen.
Abhängigkeit von Technologie
Die Krise hat unsere Abhängigkeit von der Technologie verstärkt. Das spiegelt sich in den rasant gestiegenen Aktienkursen der großen Technologieunternehmen wie Amazon, Facebook, Netflix Google & Co sowie der kleineren Unternehmen im Bereich der Videokonferenzsysteme wie Zoom wider.
Online-Dienste dürften ihr Angebot in Zukunft stark ausbauen, was wiederum mehr Investitionen in die Internet-Infrastruktur, Telekommunikation, 5G etc. nach sich ziehen würde. Denn die Arbeit im Home-Office hat sich als effektiv und nützlich erwiesen und schont nebenbei auch noch die Umwelt, weil sie den Berufsverkehr reduziert. Entsprechend werden viele Unternehmen ihre Organisations- und Arbeitsstrukturen überdenken.
Zudem wirkt die Krise wie ein Katalysator für den E-Commerce – ein Sektor, der stark weiterwachsen wird und damit Fragen über die Logistikkette aufwirft. Für den letzten Kilometer bis zum Kunden werden Drohnen, intelligente Elektrofahrzeuge etc. entscheidend. Im Gesundheitssektor haben wir erste Erfahrungen mit der Online-Arzt-Konsultation gemacht.
Wir gehen davon aus, dass diese Online-Konsultationen einschließlich automatisierter Bestellsysteme, die mit Arzneimittelzentren verbunden sind, in Zukunft stark ansteigen werden. In den USA wächst die Telemedizinbranche seit 2015 um durchschnittlich 25 Prozent pro Jahr, und das Tempo könnte sich noch beschleunigen; ihre Gesamteinnahmen belaufen sich derzeit auf rund 2,6 Milliarden US-Dollar und wird in den kommenden Jahren voraussichtlich auf 30 Milliarden steigen.
Große Krisen verleiten zu Kurzsichtigkeit und dazu, Probleme zu überschätzen. Ein positiver Blick auf die Krise ist deshalb immer eine kontroverse Position. Trotzdem halte ich die angesprochenen Themen für langfristig relevant und legitim. Die Welt muss ihre Lehren aus dieser Krise ziehen.
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