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Aktualisiert am 09.06.2020 - 16:16 Uhrin Die Spezialisten für globale GeldanlageLesedauer: 7 Minuten
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Corporate Governance in Schwellenländern „Die Verzögerung im Aufholprozess schafft etwas Wertvolles“

Chetan Sehgal, Strategiechef bei Franklin Templeton Emerging Markets Equity

Herr Sehgal, warum ist eine gute Corporate Governance für Unternehmen so wichtig?

Chetan Sehgal: Corporate Governance ist ein wesentlicher Bestandteil der Nachhaltigkeit eines Unternehmens. Ein gesundes System von Kontrollen, Anreizen und Werten diszipliniert das Management, Unternehmen bleiben damit langfristig erfolgreich.

Welche Merkmale sollte denn ein zukunftsgerichtetes Wertesystem haben?

Sehgal: Zu nennen sind hier ein mehrheitsunabhängiger Vorstand, ein gut durchdachtes Vergütungssystem für Führungskräfte und ein vernünftiges Verfahren der Kapitalallokation. Sind diese Governance-Faktoren nicht gegeben, etwa bei Unternehmen mit mangelhaftem Verhalten oder einer Politik, die Anleger benachteiligt, wird dies in der Regel vom Markt in die Kurse eingepreist. Das zeigen auch Studien: Wissenschaftliche Untersuchungen haben eine Korrelation zwischen besserer Governance und verbessertem Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, niedrigeren Kapitalkosten, stärkerer operativer Leistung und höheren Bewertungen für Unternehmen nachgewiesen.

Warum rückt Corporate Governance in den Schwellenländern immer mehr in den Fokus?

Sehgal: Unternehmen aus den Schwellenländern stehen im Mittelpunkt des Interesses, weil sie auf der globalen Finanzbühne eine immer größere Rolle spielen. In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Anteil der Schwellenländer an der globalen Börsenkapitalisierung mehr als verdoppelt und lag im Juni 2019 bei 30 Prozent. Die Governance-Standards der Schwellenländer liegen im Vergleich zu denen der entwickelten Märkte in der Regel jedoch noch zurück und schrecken manche Anleger ab.

Doch hier tut sich einiges…

Sehgal: In der Tat! Im Verlauf der Jahre haben sich manche Schwellenländer schneller entwickelt als andere, um ihre Governance-Defizite zu beheben. Wir sehen hier zwei Hauptantriebskräfte. Erstens die Weckrufe infolge von Wirtschaftskrisen und Unternehmensskandalen, die durch Governance-Fehler ausgelöst wurden. So war die asiatische Finanzkrise im Jahr 1997 ein wichtiger Wendepunkt für Volkswirtschaften und Unternehmen: Sie hatten übermäßige Kredite aufgenommen, was zum Teil durch eine laxe Regulierung befeuert worden war. Die globale Finanzkrise 2008/2009 stellte die Gefahr von Schuldenexzessen und ineffizienter Aufsicht noch deutlicher vor Augen.

Der zweite Beweggrund, aus dem Schwellenländer Governance-Defizite abzustellen suchen: Viele Schwellenländer streben danach, in die wichtigsten Marktindizes einzusteigen und dadurch mehr Kapital anzuziehen. Für Volkswirtschaften, die eine Indexaufnahme im Visier haben, gehören Governance-Maßstäbe zu den Kriterien, die sie erfüllen müssen: Zugänglichkeit, Effizienz und Transparenz ihrer Finanzmärkte sowie die Stärke ihrer Regulierungssysteme sind nur einige Faktoren, die Indexanbieter bewerten. Erfolgreich war in diesem Zusammenhang zuletzt Saudi-Arabien: 2018 hat der Indexanbieter FTSE Russell das Land in seinen Schwellenländer-Index aufgenommen. Die Marktreformen des Landes sowie die Bemühungen zur Verbesserung der Corporate Governance trugen dazu bei, dass das Land den Zuschlag erhalten hat.

Saudi-Arabien ist ein Beispiel, aber wie äußern sich die Fortschritte in den Schwellenländern insgesamt?

Sehgal: Die Governance- Verbesserungen in den Schwellenländern ergeben ein uneinheitliches Bild. Dennoch sind die allgemeinen Fortschritte, die wir in mehreren Bereichen beobachten, ermutigend, etwa bei den Rechnungslegungsstandards. So haben sich lokale Standards zunehmend international anerkannten Standards angenähert und sorgen für mehr Informationsqualität und Transparenz. Brasilien beispielsweise gehört zu den Schwellenländern, die die International Financial Reporting Standards des International Accounting Standards Board vollständig übernommen haben.