Merger-Experte Kai Lucks
Das spricht gegen den Hafen-Deal mit China
Aktualisiert am 21.11.2022 - 14:40 Uhr
Kai Lucks ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions. Foto: Bundesverband Mergers & Acquisitions
Mit dem Einstieg der Reederei Cosco in den Hamburger Hafen erhält China Zugang zu vertraulichen Informationen über den zentraleuropäischen und atlantischen Containerverkehr, ist Kai Lucks überzeugt. Hier skizziert der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions Motive der Chinesen und sagt, warum Europäer bei See-, Fluss- und Flughäfen keine Kompromisse machen sollten.
Am 31. Oktober läuft die Frist im Investitionsprüfverfahren ab. Sollte die Frist nicht verlängert werden und sollte es keinen Kabinettsbeschluss geben, gilt das faktisch als Zustimmung. Der bereits im vergangenen Jahr vereinbarte Verkauf könnte dann abgewickelt werden, und der chinesische Staatskonzern Cosco würde 35 Prozent an der Betreibergesellschaft des Hamburger Containerterminals Tollerort übernehmen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich für die chinesische Beteiligung ausgesprochen. In Brüssel sagte er gerade: Es gebe „gegenwärtig nichts weiter zu sagen, als dass ein Antrag vorliegt, der von den zuständigen Verwaltungen der Bundesrepublik Deutschland sorgfältig geprüft wird“. Spielt er...
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Am 31. Oktober läuft die Frist im Investitionsprüfverfahren ab. Sollte die Frist nicht verlängert werden und sollte es keinen Kabinettsbeschluss geben, gilt das faktisch als Zustimmung. Der bereits im vergangenen Jahr vereinbarte Verkauf könnte dann abgewickelt werden, und der chinesische Staatskonzern Cosco würde 35 Prozent an der Betreibergesellschaft des Hamburger Containerterminals Tollerort übernehmen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich für die chinesische Beteiligung ausgesprochen. In Brüssel sagte er gerade: Es gebe „gegenwärtig nichts weiter zu sagen, als dass ein Antrag vorliegt, der von den zuständigen Verwaltungen der Bundesrepublik Deutschland sorgfältig geprüft wird“. Spielt er auf Zeit? Will er den Deal durchgehen lassen, indem er den Termin verstreichen lässt?
Die chinesische Staatsmacht hat klare Regeln über ausländische Beteiligungen im Reich der Mitte erlassen, sodass wir genau wissen, was wir erwarten können und was nicht. Dagegen hält uns China unklares Verhalten vor, weil bei uns die Regeln nicht scharfkantig sind, weil China nicht weiß, wie wir reagieren und Europa keine einheitliche strategische Sprache spricht. Wenn wir in der jetzigen Situation eine längere Diskussion zulassen und das Prüfungsverfahren ergebnisoffen verlängern, dann wirft uns China einmal wieder vor, ein unzuverlässiger Geschäftspartner zu sein.
In der Tat bleiben unsere Regeln im Gegensatz zu China unklar und offen. In der Tat lauten die chinesischen Vorschriften, dass sich ausländische Unternehmen nicht an kritischen Infrastrukturen, nicht in der Logistik und nicht an sicherheitstechnischen Anlagen beteiligen dürfen.
Keine Beteiligung an kritischer Infrastruktur in China möglich
China hat speziell mit seinen Beteiligungen an ausländischen See- und Binnenhäfen, zum Beispiel Duisburg, gezeigt, dass sie hier eine ganze Branche in „ihrem“ Heimatkontinent Eurasien bestimmen und dominieren wollen. Das haben sie in ihrem Großprojekt, nämlich der 99-jährigen Pacht des Hafens von Piräus, der ja drittgrößter europäischer Küstenumschlagplatz für Container, Schwerlast und Schüttgut ist, gezeigt. Griechenland hat sich damit in eine erschreckende Abhängigkeit gebracht. Der neue Güterhafen wurde allein von Chinesen gebaut. Alle Kräne und technische Einrichtungen kamen aus China. Der Betrieb wird nur von chinesischen Unternehmen geführt. Private Zulieferer und Dienstleistungsunternehmen aus China haben sich um den Hafen herum angesiedelt und bieten sämtliche Leistungen an. Griechen sind davon ausgeschlossen. Der Hafen ist praktisch ein extraterritoriales Gebiet geworden mit dem China eine ganze Branche samt Infrastruktur, Dienstleistungen und Warenversorgung aus dem griechischen Wirtschaftskreislauf herausgenommen hat.
Eine 35 Prozent-Beteiligung an der Betreibergesellschaft des Hamburger Containerterminals Tollerort hat a priori nicht das Gewicht wie das China-Engagement in Piräus. Aber gerade die kleineren und minderheitlichen Beteiligungen zeigen, dass China auch hier langfristige und weit übergreifende Strategien realisiert. Nichts ist im Zufall überlassen, alles ist genaustens analysiert und die Meilensteine für die Zukunft sind gesetzt.
Big Data für China aus Hamburg
Durch den Einstieg an Tollerort erhielte China Zugang zu intimsten Daten über den zentraleuropäischen und atlantischen Containerverkehr. Im Verbund mit den zahlreichen Hafenbeteiligungen in Deutschland und Europa, die China besitzt und mit denen Dienstleistungs-Beziehungen bestehen, könnte China bald über Big Data zur europäischen Frachtlogistik verfügen wie kein weiterer Wettbewerber. Denn einen anderen so tief verwobenen und weltweit engagierten Logistiker im staatlichen Unternehmensverbund mit See- und Flughafenbetrieb gibt es in Europa nicht. Damit hätte Cosco möglicherweise sogar einen Informationsvorsprung gegenüber anderen europäischen Wettbewerbern, etwa über die gesamte eurasische Güterlogistik. Die Perspektiven, die sich damit für China öffneten, sind heute noch gar nicht auszumalen. Denn Daten sind die eigentliche Energiequelle für die Wirtschaft der Zukunft. Und diese sind es auch, wenn es um das Staatsgeschäft Chinas geht. Und dabei geht es nicht nur um Friedenswirtschaft, sondern leider auch darum, für ganz andere Zeiten gerüstet zu sein.
Vor jedem Engagement hat China die Ausgangsposition des jeweiligen Partners genauestens untersucht, deren Motive sowie deren Nöte, weshalb und wie diese bereit sind, Konzessionen zu machen und Rechte hinzugeben. Diese werden genutzt und notfalls auch missbraucht. So hat China in seinen Verträgen rigorose Klauseln über zu realisierende wirtschaftliche Ziele. Werden diese nicht erreicht, drohen härteste Sanktionen bis hin zur Wegnahme von Wirtschaftsgütern, Rohstoffen, Ländereien und dauerhaften nationalen Nutzungsrechten. Das hat China zum Beispiel in Afrika gezeigt, wo, basierend auf viel zu ehrgeizigen Wirtschaftsplänen, die Ziele nicht erreicht werden konnten und schwerste Vertragsstrafen durchgesetzt wurden. Drei afrikanische Staaten mussten faktisch Konkurs anmelden, weiteren fünf drohen wirtschaftliche Pleite.n Mit der Folge, dass staatliche Eigentumsrechte an Grundbesitz und Rohstoffvorkommen dauerhaft an China übertragen wurden.
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