Merger-Experte Kai Lucks
Das spricht gegen den Hafen-Deal mit China
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Kai Lucks ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions. Foto: Bundesverband Mergers & Acquisitions
Mit dem Einstieg der Reederei Cosco in den Hamburger Hafen erhält China Zugang zu vertraulichen Informationen über den zentraleuropäischen und atlantischen Containerverkehr, ist Kai Lucks überzeugt. Hier skizziert der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions Motive der Chinesen und sagt, warum Europäer bei See-, Fluss- und Flughäfen keine Kompromisse machen sollten.
Mit scheinbar kleinen und wenig sichtbaren Beteiligungen im Ausland verbindet China langfristige und große Strategien. Als die Deutsche Bahn zum Beispiel das Design einer neuen Rangierlok ausschrieb, hatten weder Siemens noch Alstom Interesse an dem damit verbundenen kleinen Liefervertrag. So stieg China in das Geschäft ein, indem sie die Lokomotivsparte der vormaligen MAK in Kiel übernahmen. Die eigentliche Idee bei diesem lächerlich kleinen Auftrag war nicht etwa das technologisch wenig reizvolle Gebiet mit hydroelektrischen Rangierlokomotiven, sondern eine ganz andere viel größere Vision. Jedes neue Fahrzeugmodell auf deutschen Schienen muss nämlich vom Eisenbahn-Bundesamt zertifiziert werden. Das ist ein aufwändiger und hochprofessioneller Prozess. Diesem müssen vor allem die neuen Triebfahrzeuge unterzogen werden, von der kleinen Hydrolok bis zum ICE. Und darin lag das eigentliche Ziel der Chinesen in Kiel, nämlich den deutschen Zertifizierungsprozess genau kennen zu lernen, um daraus Handlungsimperative für die zukünftige Zertifizierung des China-ICE für deutsche Strecken abzuleiten. Denn die zentrale Vision, die Chinesen mit dem deutschen und europäischen Markt verbindet, ist, hierzulande den chinesischen Hochgeschwindigkeitszug zu etablieren.
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Mit scheinbar kleinen und wenig sichtbaren Beteiligungen im Ausland verbindet China langfristige und große Strategien. Als die Deutsche Bahn zum Beispiel das Design einer neuen Rangierlok ausschrieb, hatten weder Siemens noch Alstom Interesse an dem damit verbundenen kleinen Liefervertrag. So stieg China in das Geschäft ein, indem sie die Lokomotivsparte der vormaligen MAK in Kiel übernahmen. Die eigentliche Idee bei diesem lächerlich kleinen Auftrag war nicht etwa das technologisch wenig reizvolle Gebiet mit hydroelektrischen Rangierlokomotiven, sondern eine ganz andere viel größere Vision. Jedes neue Fahrzeugmodell auf deutschen Schienen muss nämlich vom Eisenbahn-Bundesamt zertifiziert werden. Das ist ein aufwändiger und hochprofessioneller Prozess. Diesem müssen vor allem die neuen Triebfahrzeuge unterzogen werden, von der kleinen Hydrolok bis zum ICE. Und darin lag das eigentliche Ziel der Chinesen in Kiel, nämlich den deutschen Zertifizierungsprozess genau kennen zu lernen, um daraus Handlungsimperative für die zukünftige Zertifizierung des China-ICE für deutsche Strecken abzuleiten. Denn die zentrale Vision, die Chinesen mit dem deutschen und europäischen Markt verbindet, ist, hierzulande den chinesischen Hochgeschwindigkeitszug zu etablieren.
In einem über drei Jahrzehnte laufenden Kampf aller europäischer Bahnhersteller um den chinesischen Markt hatten diese mit dem vormaligen chinesischen Eisenbahnministerium Kooperationsverträge gemacht und Gemeinschaftsunternehmen geschlossen. Dabei hatten die Europäer fleißig gegeneinander gekämpft und im Buhlen um die Chinesen immer mehr Konzessionen eingeräumt und etwas mehr an Technologien herausgegeben als jeweils andere europäische Wettbewerber, um kurzfristig zum Auftrag zu kommen. So hatte etwa Siemens mit dem Eisenbahnministerium ein Joint Venture über die Entwicklung einer „chinesischen“ Hochleistungslokomotive geschlossen, an der mehrere Jahre lang gemeinsam gearbeitet wurde. Als der Prototyp fertig war, zertifiziert und für die großvolumige Fertigung bereit, da kündigten die Chinesen plötzlich das Gemeinschaftsunternehmen mit Siemens. Aus dem Stand heraus konnten die Chinesen nun die Lokomotive allein und in großer Stückzahl fertigen.
CRRC ist größer als Siemens, Alstom, Hitachi und GE zusammen
Durch die Hingabe europäischer und amerikanischer Technologien, die Gründung und Auflösung zahlreicher Kooperationen und Joint Ventures gelangte China an das gesamte Wissen des Auslands. Mit diesem ausgestattet wurde das chinesische Eisenbahnministerium zum größten Teil in einen quasi privatwirtschaftlich aufgestellten Konzern umgewandelt, der heute den Namen CRRC Chinese Railway Rolling Stock Corporation trägt. Mit größten Ehrgeiz wurden hier die europäischen Technologien und Konzepte weiterentwickelt, sodass die Chinesen heute über den leistungsfähigsten Hochgeschwindigkeit-Systemzug der Welt verfügen: mit den höchsten Geschwindigkeiten, für tiefste Temperaturen, für höchste Temperaturen, für Bergwelten und druckgekapselt wie der deutsche ICE. Auf Basis der Volumenvorteile des chinesischen Nationalmarktes, günstigerer Arbeitskosten und zahlreicher undurchschaubar Subventionen – nach Belieben werden etwa Energiepreise und Zulieferkosten gesenkt – kann China weltweit führende Technologien in Verbindung mit unschlagbar günstigen Preisen bieten.
Mit dieser Drohkulisse steht China im Einstieg in den europäischen Markt und versucht nun, über die schwächsten Glieder hierzulande einzudringen und den europäischen Anbietern Konkurrenz zu machen. Im freien Markt Europas könnten die verbliebenen großen europäischen Anbieter wie Siemens und Alstom-Bombardier preislich kaum gegenhalten. Da China im Gegensatz zu Europa das Bahngeschäft, das Logistikgeschäft unter nationalen Schutz gestellt hat, können die Europäer im Land der Mitte kein Lok-Geschäft machen. So ausgestattet wurde die CRRC zum welteit führenden Bahnhersteller, größer als Siemens, Alstom, Hitachi, General Electric und weitere große Player zusammengenommen.
Dieses aus einer ganz anderen Branche kommende Beispiel soll zweierlei erläutern, nämlich dass erstens über eine kleine Übernahme ganz große Ziele verfolgt werden können Und dass zweitens Europa in seiner Zerstrittenheit und mit seinem Rechtssystem den Chinesen nichts entgegenzusetzen hat. So urteilt die europäische Kartellbehörde immer auf der Basis des europäischen Marktes, in dem Wettbewerbsgleichgewicht zu herrschen hat und mit dem Ergebnis, dass unsere Player im Vergleich zur weltweiten Wettbewerberstruktur zu klein bleiben und in ihrer globalen Reichweite begrenzt sind.
Das europäische Wirtschaftsverständnis ist von gestern
Darüber hinaus sind unsere strategischen Denkmodelle, die etwa kartellrechtlichen Beurteilungen in Europa zu Grunde gelegt werden, längst überholt. Die EU-Kartellbehörde denkt im Wesentlichen immer noch auf der Basis von abgeschlossenen Unternehmen in geschlossenen Märkten, während die innovativsten und erfolgreichsten Player vor dem Hintergrund vielfacher Transformationen längst Entgrenzungen, vielfache Vernetzungen, die Virtualisierung, die Mobilisierung der Wertschöpfung, online-Plattformen, Lösungszusammenschlüsse und digitale Ökosysteme weltweit betreiben.
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