DAS INVESTMENT: Herr Cameron, das Thema Nachhaltigkeit steht bei Anlegern hoch im Kurs. Umfragen zeigen: Eigentlich möchte jeder nachhaltig investieren. Im eigenen Depot steht dann dennoch meist die Rendite im Vordergrund. Woher kommt dieser Widerspruch?
Craig Cameron: Ich glaube, es kommt darauf an, wie man Impact und Finanzen gewichtet. Bei unserem Fonds haben beide den gleichen Stellenwert. Wir wollen mit unseren Investments einerseits einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leisten. Andererseits ist die finanzielle Performance wichtig. Denn klar ist: Je kleiner der Fonds, desto geringer wird auch unser Einfluss zur Erzielung dieses Impacts.
Der Markt der „grünen Fonds“ ist in den vergangenen zwei Jahren durchgepflügt worden. Der Ukraine-Krieg, die Energiekrise – wie haben diese Ereignisse die Nachhaltigkeitsbranche getroffen?
Cameron: Es gab in meinen Augen interessante Fehleinschätzungen des Markts. Viele haben übersehen, dass die steigenden Energiepreise auch die Dekarbonisierung antreiben. Schließlich erhöhen hohe Preise den Anreiz für Investitionen in erneuerbare Energien und Effizienz. Im Sommer 2022 bot das Chancen, Qualitätsunternehmen mit deutlichen Abschlägen zu kaufen. Wir konnten so einige interessante Schnäppchen machen, die sich jetzt schon wieder erholt haben oder zumindest auf einem guten Weg sind.
Und auf den Krieg folgte eine rasant gestiegene Inflation.
Wie schätzen Sie die Stimmung bei Investoren aktuell ein? Ist das Tal der Tränen durchschritten?
Cameron: Der Pessimismus überwiegt nach wie vor. Die angesprochenen Zins- und Konjunktursorgen belasten die Branche, dazu kommen Unsicherheiten über den Fortbestand politischer Förderprogramme. Viele sehen nachhaltige Geldanlagen aktuell skeptisch.
Angesichts dieser Skepsis – wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Cameron: Wir müssen zeigen, dass ökologische und finanzielle Performance vereinbar sind, das ist enorm wichtig für die Glaubwürdigkeit. Politik und Notenbanken sind ebenfalls gefragt, durch Zinssenkungen und Förderprogramme die Rahmenbedingungen zu verbessern. Und langfristig braucht es mehr globale Kooperation beim Klimaschutz.
Stichwort Langfristigkeit: Besteht im Alltag eines Fondsmanagers nicht ein Interessenskonflikt zwischen kurzfristigen Renditen und Impact?
Cameron: Bei uns nicht, wir sind sehr langfristig orientiert. Meiner Meinung nach ist dieser scheinbare Zielkonflikt eher ein Vorteil. Die doppelte Perspektive – Finanzen und Nachhaltigkeit – erlaubt es mir, geduldiger zu sein, wenn die Performance mal schwächelt. Nur auf die Rendite fokussiert wäre der Erfolgsdruck höher.
Das heißt, die Impact-Orientierung schützt Sie bis zu einem gewissen Grad vor dem „Hype-Zyklus“ manch anderer Fonds?
Cameron: Definitiv. Wir hatten etwa noch nie Wasserstoff-Unternehmen im Portfolio, obwohl deren Bewertung phasenweise astronomisch war. Eben weil sie nicht in unser Konzept passten. Auch bei Solar-Aktien waren wir skeptischer als andere. Dieser Stil mag kurzfristig hier und da Performance kosten, aber langfristig zahlt sich diese Disziplin meist aus. Und es hilft, ruhiger zu bleiben, wenn Clean-Tech-Titel mal generell unter Druck stehen.
Blicken wir genauer auf die Unternehmen. Ohne die „Old Economy“, also ohne große etablierte Unternehmen, wird die Energiewende kaum gelingen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Cameron: Unbedingt. Wir brauchen beides, die etablierten Player und die jungen Start-ups. Die Dekarbonisierung erfordert, dass wir Dinge anders herstellen und dafür andere Materialien nutzen – mit steigendem Bedarf. Kupfer, Aluminium, Lithium für E-Autos und Windkraft, die Liste ist lang. Rohstoffkonzerne können dabei helfen, aber nur wenn sie gleichzeitig ihre Produktion dekarbonisieren.
Wie beurteilen Sie als Fondsmanager die Ernsthaftigkeit dieser Bemühungen? Stichwort Greenwashing ...
Cameron: Wir schließen Öl- und Gasförderer direkt aus. Bergbau- und Rohstoffunternehmen betrachten wir differenzierter. Chile etwa ist bei der Kupferförderung führend in Sachen Dekarbonisierung. Antofagasta investiert Millionen in saubere Energie für Minen und verfolgt ehrgeizige Klimaziele. An solchen konkreten Schritten und dem Dialog mit dem Management beurteilen wir die Ernsthaftigkeit.
Wo sehen Sie in Sachen Nachhaltigkeit aktuell das größte Über- oder Unterschätzungspotenzial der Wirtschaft?
Cameron: Wasserstoff ist vollkommen überbewertet. Die Kosten für Transport und Umwandlung sind so hoch, dass es sinnvoller ist, stattdessen konsequent erneuerbare Energien im großen Stil auszubauen. Viel Potenzial sehe ich dagegen bei naturbasierten Lösungen.
Was meinen Sie damit konkret?
Cameron: Wenn wir über Dekarbonisierung sprechen, schauen wir oft auf aufwendige, materialintensive Technologien. Aber die Natur bietet kostengünstige, großflächige CO2-Speicher, die meiner Meinung nach zu wenig Beachtung finden. Ich spreche konkret von großangelegter Aufforstung, Renaturierung von Mooren oder Schutz von Regenwaldgebieten. Solche Maßnahmen binden effizient CO2 und sind gemessen an vermiedenen Emissionen sehr kosteneffizient.
Spielen solche natürlichen CO2-Speicher in Ihrem Fonds auch eine Rolle?
Cameron: Bisher noch nicht direkt. Es gibt erste Ansätze von Unternehmen, die in Wiederaufforstung oder Moorschutz investieren und ihr Geschäftsmodell auf den Handel mit damit generierten Emissionszertifikaten aufbauen. Leider ist keines davon bisher börsennotiert. Ich fände das Konzept überzeugend: Anleger investieren in diese Art von Klimaschutz und erhalten im Gegenzug Emissionsgutschriften ausgezahlt, quasi als „CO2-Dividende“.
Die wäre auch hilfreich, um das Vertrauen der Anleger zu gewinnen. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Investments tatsächlich eine positive Wirkung erzielen?
Cameron: Wir haben ein ganzes Team, das sich ausschließlich um die Analyse der Nachhaltigkeit unserer Beteiligungen kümmert. Die Experten prüfen im Detail, ob unsere Unternehmen bestimmte Umwelt- und Sozialstandards einhalten, ob sie das Ziel der CO2-Reduktion verfolgen und ob wir insgesamt einen Netto-Klimanutzen erzielen.
Das heißt, Sie rechnen den durch Produktionsprozesse verursachten Ausstoß den vermiedenen Emissionen durch Ihre „grünen“ Technologien gegenüber?
Cameron: Genau. Nach konservativer Schätzung vermeiden unsere Firmen derzeit das 20-fache an Emissionen, verglichen mit ihrem eigenen Ausstoß. Damit fühlen wir uns in unserem Ansatz bestätigt, über Investitionen aktiv zur Dekarbonisierung beizutragen.