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„Too big to fail“
Credit-Suisse-Rettung – was die Finanzkrise gelehrt hat
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„Too big to fail“ Credit-Suisse-Rettung – was die Finanzkrise gelehrt hat

Geschäftsgebäude der UBS Bank und der Credit Suisse
Geschäftsgebäude der UBS Bank und der Credit Suisse: Im schweizerischen Winterthur liegen übernehmende und übernommene Bank fast Tür an Tür. | Foto: imago images/Björn Trotzki

15. September 2008: Die US-Investmentbank Lehman Brothers beantragte an dem Tag das Chapter-11-Verfahren. Es mag bezweifelt werden, ob die Insolvenz der Bank in Kauf genommen worden wäre, wenn die Folgen für das globale Finanz- und Wirtschaftssystem zuvor absehbar gewesen wären. In den Wochen und Monaten nach diesem Ereignis gerieten zahlreiche US-Investmentbanken in Schieflage und wurden durch andere Institute oder Eigenkapitalbereitstellungen des Staates übernommen beziehungsweise gesichert. So wurde beispielsweise die Bank Merrill Lynch von der Bank of America übernommen.

Eine zu dieser Zeit sehr häufig zu vernehmende Plattitüde war die des „Too-big-to-fail“. Diese lässt sich auch auf die Credit Suisse übertragen. Eine Insolvenz hätte erneut verheerende Folgen an den Kapitalmärkten hervorgerufen und die Erinnerungen an die Jahre 2008 fortfolgende geschürt. Somit war es sicherlich richtig, die Credit Suisse – wie auch immer – zu retten.

Ein weiteres Beispiel des Too-big-to-fail

Andreas Schyra, Foto: PVV

Eine bedeutende Einschränkung bei der Bewertung der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ist die Größe des neuen, konsolidierten Instituts. Die UBS wies bereits vor dem Deal eine Bilanzsumme in Höhe von gut 1,1 Billionen US-Dollar auf. Die Credit Suisse brachte es zumindest noch auf etwa 530 Milliarden US-Dollar.

Die vereinte Bilanzsumme beider Institute übersteigt die Wirtschaftsleistung der Schweiz, gemessen an deren Bruttoninlandsproduktes deutlich. Sowohl die Credit Suisse als auch die UBS wurden bereits im Jahr 2011 auf die Liste der global systemrelevanten Banken des Financial Stability Board aufgenommen. Jede Bank für sich und insbesondere das kombinierte Institut weist demnach nicht nur für ihren Heimatmarkt, sondern weit darüber hinaus eine Systemrelevanz auf.

„Too big to fail“ ist also erneut nicht von der Hand zu weisen.

Notfusion unter Zeitdruck

Alternativ zur Übernahme durch die UBS hätte auch der Schweizer Staat die Credit Suisse übernehmen oder sich zumindest maßgeblich an ihr beteiligen können, um sie zu sichern. Entscheidend wird es sein, wie die UBS mit der Credit Suisse nun weiter verfährt, beziehungsweise an welche Bedingungen die staatlichen Garantien geknüpft sind. Werden – neben einem nennenswerten Sparkurs und verringerten Risikoaktiva – auch Geschäftsbereiche an Mitbewerber veräußert, so dezimiert sich die bisherige Größe des gemeinsamen Instituts automatisch.

Es ist zu erwarten, dass es der UBS gelingt, einen nennenswerten Vorteil aus der Transaktion zu ziehen. Jedoch ist sie den Deal auch nicht ganz freiwillig eingegangen. Vielmehr muss von einer Notfusion am Wochenende gesprochen werden, um größere Verwerfungen bei Eröffnung der Finanzmärkte am darauffolgenden Montag zu vermeiden. Dies scheint zunächst gelungen: Die Aktien- und Rentenmärkte beruhigten sich im Anschluss merklich.

Stabiler Finanzmarkt geht vor Wettbewerb

Die Schweizer Notenbank, die Finanzmarktaufsicht Finma und die Schweizer Regierung stellten mit dem eingefädelten Deal die Sicherung des Bankensystems über die Wettbewerbsinteressen sämtlicher Bankkunden im eigenen Land.

Die Übernahme kann zudem kritisch betrachtet werden, denn die UBS stimmte nur zu, weil nennenswerte Risiken vom Staat und nachrangigen Anleihegläubigern der Credit Suisse getragen werden. Zu erwartende Gewinne aus der Übernahme entfallen jedoch auf die UBS. Bei einer direkten Staatsbeteiligung oder gar einer vollständigen staatlichen Übernahme der Credit Suisse wären diese dem Schweizer Fiskus zugeflossen und hätten einen derartigen, eidgenössischen Bankgiganten vermieden.

Lerneffekte aus der globalen Finanzkrise

Entscheidend wird es sein, wie Staaten, Notenbanken und Investoren mit der neuen Unsicherheit im Banksystem umgehen. Zahlreiche Notenbanken stellten bereits umfangreiche Liquiditätsmaßnahmen bereit und erwägen, Anleiheankaufprogramme zu prolongieren beziehungsweise neu aufzulegen, falls dies nötig werde.

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Es bleibt zu hoffen, dass Lerneffekte aus der letzten Bankenkrise der Jahre 2008 fortfolgende bestehen und der damaligen Vorgehensweise der USA gefolgt wird. Dort wurden Banken in Schieflage zwangsweise mit zusätzlichem, staatlichem Eigenkapital ausgestattet, um deren Bonität zu sichern.

Die USA waren damals ein gutes Beispiel dafür, wie der Staat mit einem direkten Engagement bei den Banken zunächst für Sicherheit im System sorgte und später einen nennenswerten Ertrag generierte. Für Deutschland gilt dies nur sehr eingeschränkt, denn die Vorgehensweise bei der Rettung der Commerzbank war deutlich zurückhaltender und aus steuerlicher Perspektive nur eingeschränkt erfolgreich.

Chancen und Risiken gerecht verteilen

Dies soll kein Appell für die Verstaatlichung privater Unternehmen sein, sobald diese in wirtschaftliche Bedrängnis geraten. Die aktuelle Transkation in der Schweiz vermittelt jedoch den Anschein einer ungerechten Chancenverteilung: Der Staat stellt Sicherheiten und trägt gewisse Risiken, die Gewinne stehen jedoch dem privaten Investor zu. Wie bei jeder Investition, sollten die Chancen und Risiken jedoch möglichst gerecht verteilt sein.

 

Es bleibt zu vermuten, dass sich die Vertreter der UBS ihrer Verhandlungsposition bewusst waren und diese zum Wohl der Bank nutzten – was vollkommen nachvollziehbar ist. Die Verhandlungsposition der Schweizer Regierung war hingegen äußerst schlecht, soweit zuvor bereits feststand, dass die Credit Suisse nicht verstaatlich werden solle.

Somit können sich die Politiker zumindest zugutehalten, dass es zu keinem Bail-out kam, wobei die UBS jedoch großzügig unterstützt wurde, um dem Deal zuzustimmen. Ein derartiges Geschäft konnten deren Manager kaum ablehnen.

Droht eine erneute Bankenkrise?

Die Fortsetzung der aktuellen Ereignisse wird maßgeblich davon abhängen, welche Maßnahmen ergriffen werden, um die systemseitigen Probleme in den Griff zu bekommen. Die Zinssteigerungen der letzten Monate und die in zahlreichen Regionen vorherrschende inverse Zinsstruktur stellen nennenswerte Herausforderungen für das gesamte Bankensystem dar. Der Eindruck bleibt, dass die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der vergangenen Jahre, um eine Systemkrise zu vermeiden, nur teilweise greifen.

Vorteile von Wertpapieren gegenüber Kontoguthaben

Trotz der positiven Einlageverzinsungen sollten Anleger vermeiden, höhere Guthaben auf Bankkonten zu verwahren. Denn zahlreiche Beispiele zeigten, wie schwer die Bonitätseinschätzung einer Bank tatsächlich ist. Der Wechsel von Kontoguthaben in Wertpapierbestände hat den Charme, dass Depotwerte nicht in eine etwaige Insolvenzmasse eingehen, sondern dem jeweiligen Anleger direkt zugerechnet werden.

Die Sicherungssysteme des dreigliedrigen Banksystems in Deutschland variieren deutlich. Die Insolvenz eines großen Instituts würde zu einer Belastung führen, die kaum tragbar wäre. Auch risikoarme Anleihen mit kurzen Laufzeiten, die beispielsweise von der Bundesrepublik Deutschland emittiert wurden, weisen mittlerweile positive Renditen. Sie verbleiben unabhängig von der Bonität der depotführenden Bank.

Über den Autor:
Andreas Schyra ist Vorstandsmitglied bei der Vermögensverwaltungsgesellschaft PVV und Dozent an der FOM Hochschule in Essen. 

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