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Gastbeitrag: Eine gute Cyber-Versicherung allein reicht nicht

Die Digitalisierung revolutioniert zahlreiche Branchen. Unternehmen verlagern ihre Prozesse in die Cloud, nutzen vernetzte Geräte und setzen verstärkt auf digitale Kommunikation – auch in der Finanz- und Versicherungsbranche. Als Versicherungsmakler profitiere ich täglich von diesen neuen Möglichkeiten.
Doch diese Entwicklung hat auch ihre Schattenseiten: Die Cyberrisiken steigen und Cyberkriminelle nutzen immer ausgeklügeltere Methoden, um Daten zu stehlen oder Lösegeld zu erpressen. Besonders gefährdet und attraktiv für Cyberkriminelle sind Branchen, die entweder hochsensible Daten speichern, über hohe finanzielle Ressourcen verfügen oder aufgrund ihrer Struktur anfälliger für Angriffe sind. Hierzu zählen beispielsweise der Finanzsektor, öffentliche Verwaltungen sowie die Energie- und Versorgungswirtschaft.
Warum das Gesundheitswesen besonders gefährdet ist
Ich möchte am Beispiel des Gesundheitswesens aufzeigen, warum genau diese Branche aktuell am meisten von Hackerangriffen betroffen ist: In Krankenhäusern, Kliniken, Forschungseinrichtungen, aber auch in medizinischen Versorgungszentren und Arztpraxen sind viele digitale Systeme im Einsatz – von medizinischen Geräten bis hin zu Patientendatenbanken.
Die Einrichtungen speichern und verarbeiten hochsensible Daten. Und solche Gesundheitsdaten sind für Hacker auf dem Schwarzmarkt besonders wertvoll, weil sie viele persönliche Informationen enthalten. Kriminelle nutzen diese Daten zum Identitätsdiebstahl oder verkaufen sie weiter.
Viele Risiken und Bedrohungen
Leider sind die IT-Sicherheitsmaßnahmen in vielen Einrichtungen oft nicht ausreichend, um sich gege moderne Bedrohungen zu schützen. Eine der größten Gefahren sind Ransomware-Angriffe. Dabei schleusen Hacker Schadsoftware in das System ein, die wichtige Daten verschlüsselt und erst gegen eine Lösegeldzahlung wieder freigibt. Dabei spielt Kriminellen in die Karten, dass Krankenhäuser oder Arztpraxen auf einen reibungslosen Betrieb besonders angewiesen sind und daher eher bereit sein dürften, zu zahlen.
Auch Phishing und Social Engineering stellen eine große Gefahr dar. Cyberkriminelle versuchen, durch gefälschte E-Mails oder Anrufe Mitarbeiter dazu zu bringen, vertrauliche Informationen preiszugeben oder schädliche Links zu öffnen. So können sie sich unbemerkt Zugang zu sensiblen Daten oder Systemen verschaffen.
Auch technische Schwachstellen spielen eine Rolle, insbesondere bei vernetzten medizinischen Geräten, die zum sogenannten Internet der Dinge gehören. Viele dieser Geräte – etwa Herzmonitore oder Infusionspumpen – sind mit dem Internet verbunden, aber nicht ausreichend gegen Angriffe geschützt. Hacker könnten im schlimmsten Fall sogar lebenswichtige Geräte manipulieren.
Zuletzt darf man auch Insider-Bedrohungen nicht unterschätzen. Das können unzufriedene Mitarbeiter sein, die absichtlich Schaden anrichten, oder Personen, die versehentlich durch Unachtsamkeit Sicherheitslücken schaffen – zum Beispiel, indem sie Passwörter weitergeben oder unsichere Software nutzen.
Cyber-Versicherung kann viel – reicht allein aber nicht
Als Versicherungsmakler könnte man nun meinen, dass mit einer Cyber-Versicherung das Problem zu lösen ist. Dies entspricht aber nur bedingt der Wahrheit. Ich empfehle meinen Kunden vorrangig, sich um ein durch Experten begleitetes IT-Security-Konzept zu bemühen. Und für dieses wäre dann eine darauf abgestimmte Cyber-Police die optimale Ergänzung. Denn falls ein Hackerangriff dennoch erfolgreich ist, wäre zumindest der finanzielle Schaden gedeckt.
Eine gute Cyber-Police deckt nicht nur den direkten Schaden eines Angriffs ab, sondern auch die Folgekosten – also zum Beispiel Betriebsunterbrechungen, die Wiederherstellung von Daten oder Haftpflichtansprüche, wenn Kundendaten betroffen sind. Besonders wichtig: Gibt es einen Notfallservice? Eine schnelle IT-Forensik und Unterstützung bei Ransomware-Fällen sind im Schadenfall Gold wert. Ein weiteres Zeichen für eine gute Police: Der Versicherer bietet Präventionsmaßnahmen an, wie Sicherheits-Checks oder Mitarbeiterschulungen.
Welche Sicherheitsmaßnahmen Unternehmen ergreifen können
Da das Gesundheitswesen so stark von digitalen Prozessen abhängt und mit hochsensiblen Daten arbeitet, ist es besonders wichtig, in Cybersicherheit zu investieren. Um sich gegen Cyber-Bedrohungen zu schützen, sollten medizinische Einrichtungen umfassende Sicherheitsmaßnahmen implementieren. Einige der wichtigsten Maßnahmen zur Risikominimierung sind: Sicherheitsbewusstsein und Schulungen, Multi-Faktor-Authentifizierung, Backup-Strategien, Netzwerksegmentierung, regelmäßige Sicherheitsupdates und Patch-Management.
Wie man bei den Cyber-Versicherern erkennen kann, ist weiterhin viel Bewegung im Markt. Dabei ist vor allem zu beobachten, dass neuere Konzepte immer häufiger neben den üblichen Risikofragebögen zusätzlich mit sogenannten Scans arbeiten. Es gibt sogar Anbieter, welche bei kleinen oder mittleren KMUs auf Fragebögen verzichten und nur mit Scans arbeiten. Dabei gibt es verschiedene Vorgehensweisen und Varianten, doch gemein ist allen Scans, dass sie bislang lediglich von „außen“ angewandt werden.
Wie Scans funktionieren
Zuerst werden dabei durch den Cyber-Versicherer öffentlich zugängliche Informationen zur Domain gesammelt, zum Beispiel, wer sie registriert hat und welche Server damit verbunden sind. Anschließend wird geprüft, welche Dienste auf den Servern laufen und ob es offene Zugänge gibt, die potenziell unsicher sein könnten. Danach kommen spezielle Sicherheits-Scanner zum Einsatz, die nach bekannten Schwachstellen suchen – etwa veraltete Softwareversionen oder unsichere Verschlüsselungen.
Manche Versicherer gehen sogar noch weiter und prüfen, ob sensible Daten des Unternehmens bereits im Darknet kursieren, beispielsweise geleakte Passwörter. Am Ende wird ein Bericht erstellt, der die gefundenen Risiken zusammenfasst. Je nach Ergebnis kann das Auswirkungen auf die Versicherungsprämie haben oder sogar dazu führen, dass der Antrag auf eine Cyber-Versicherung abgelehnt wird. Versicherer überlegen und besprechen derzeit, wie die IT-Sicherheit noch messbarer und vergleichbarer machen kann.
Daher wird von einigen Anbietern aktuell geprüft, inwieweit man neben den externen Scans auch interne Scans der IT-Infrastruktur umsetzen kann, um auch technisch und organisatorische Maßnahmen standardisiert abfragen zu können. Ziel ist die Herstellung der Vergleichbarkeit des Sicherheitsstandards zwischen verschiedenen Unternehmen in einer Art Cyber-Risk-Score.
Mein Fazit
Für mich als Versicherungsmakler ist die Bedrohung durch Cyberkriminalität real. Ich bin überzeugt, dass eine einfache Cyber-Versicherung allein nicht ausreicht, um den vielschichtigen Herausforderungen der heutigen Bedrohungslandschaft gerecht zu werden. Es ist essenziell, ein durchdachtes IT-Security-Konzept zu entwickeln, das über den Versicherungsschutz hinausgeht. Die aktuellen Entwicklungen im Cyber-Versicherungsmarkt verdeutlichen, wie wichtig es ist, auch interne Sicherheitsstandards zu überprüfen und vergleichbar zu machen.
In Anbetracht dieser dynamischen Umgebung ist es für Unternehmen unerlässlich, nicht nur reaktiv, sondern proaktiv zu handeln. Durch strategische Sicherheitsvorkehrungen und die Wahl der richtigen Cyber-Versicherung kann das Risiko von Cyberangriffen erheblich reduziert und die sensiblen Daten der
Patienten und Kunden geschützt werden.
Über den Autor:
Tino Weissenrieder wurde 1973 geboren. Seit seinem Abschluss im Jahr 2000 an der Hochschule Offenburg ist er Diplom-Wirtschaftsingenieur. Im Anschluss stieg er bei einem führenden Finanzdienstleister für Akademiker in die Finanzbranche ein. Im Jahr 2010 gründete er sein eigenes Unternehmen, die W&K Wirtschaftsberatung in Lahr. Seit 2022 ist Weissenrieder TÜV-zertifizierter Fachberater für Cyberrisiken.