Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann
Frankreich und Macron kommen mit einem blauen Auge davon
Daniel Hartmann, Chefvolkswirt beim Hannoveraner Asset Manager Bantleon Foto: Bantleon
Neben den Problemen in der deutschen Autoindustrie und den politischen Unruhen in Italien waren die Gelbwestenproteste in Frankreich Ende 2018 der dritte außergewöhnliche Belastungsfaktor für die Währungsunion. Alles zusammen führte die Wirtschaft der Eurozone an den Rand der Rezession.
Die französische Gelbwestenbewegung fand anfangs regen Zuspruch. An den ersten Demonstrationen im November 2018 nahmen mehrere Hunderttausend Menschen teil. Die gleichzeitig errichteten Straßensperren und hochkochenden Gewaltexzesse schadeten indes der Wirtschaft schwer. Am stärksten negativ betroffen waren das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Einzelhandel und das Transportgewerbe.
Um Weihnachten berichtete die Kaufhäuser von 30-prozentigen Umsatzeinbußen. Parallel brachen bei den Pariser Hoteliers die Übernachtungszahlen ein. Dies fand auch seinen Niederschlag in den Konjunkturumfragen – allen voran im Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungsgewerbes. Das viel beachtete Barometer stürzte...
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Die französische Gelbwestenbewegung fand anfangs regen Zuspruch. An den ersten Demonstrationen im November 2018 nahmen mehrere Hunderttausend Menschen teil. Die gleichzeitig errichteten Straßensperren und hochkochenden Gewaltexzesse schadeten indes der Wirtschaft schwer. Am stärksten negativ betroffen waren das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Einzelhandel und das Transportgewerbe.
Um Weihnachten berichtete die Kaufhäuser von 30-prozentigen Umsatzeinbußen. Parallel brachen bei den Pariser Hoteliers die Übernachtungszahlen ein. Dies fand auch seinen Niederschlag in den Konjunkturumfragen – allen voran im Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungsgewerbes. Das viel beachtete Barometer stürzte zwischen Oktober 2018 und Januar 2019 von 55,3 auf 47,8 Punkte ab und damit so heftig wie letztmals während der Finanzkrise (siehe Abbildung 1, der Wert "Headline" steht für die Geschäftstätigkeit).
Abbildung 1: Auf den Absturz folgt die Erholung
Am Ende waren die wirtschaftlichen Auswirkungen weniger schlimm als befürchtet. Der Konsum stagnierte zwar tatsächlich im 4. Quartal 2018. Insgesamt blieb das französische Bip-Wachstum jedoch solide (plus 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorquartal), wobei positive Sondereffekte im Außenhandel halfen (Rüstungs- und Flugzeugexporte). Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass die Krise abebbt. Einerseits verlieren die Proteste an Rückhalt. Die Samstagsdemos weisen nur noch 20.000 bis 30.000 Teilnehmer auf. Andererseits blieb Emmanuel Macron nicht untätig.
Zum einen setzte er Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft um (Erhöhung des Mindestlohns, steuerfreie Überstundenzuschläge). Zum anderen versuchte er, den Ärger der Bürger in einer „großen nationalen Debatte“ zu kanalisieren. In der Provinz fanden zahlreiche Bürgergespräche statt, bei denen die Menschen „Dampf ablassen“ konnten. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus will Macron umsetzen. Es dürfte vor allem auf Entlastungen für den Mittelstand hinauslaufen. Seine oftmals als »reichennah« gebrandmarkte Politik bekommt damit eine soziale Flankierung.
In den Konjunkturbarometern macht sich der Stimmungswandel ebenfalls bemerkbar. Der Service-Einkaufsmanagerindex ist im April wieder über die 50-Punkte-Marke gesprungen (siehe Abbildung 1). Im 1. Quartal ist die französische Wirtschaft mit plus 0,3 Prozent erneut robust gewachsen. Im Vergleich zu den heimischen Unruheherden stellt das durchwachsene weltwirtschaftliche Umfeld mittlerweile das größere Problem dar. Wir gehen jedoch davon aus, dass Frankreich im 2. Halbjahr von der von uns prognostizierten globalen Konjunkturerholung profitiert (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Im 2. Halbjahr sollte der Konjunkturtrend nach oben gerichtet sein
Politisch sollte Frankreich ebenfalls wieder zur alten Stärke zurückkehren. Auch wenn Macrons Zustimmungswerte nicht überwältigend sind (etwa 30 Prozent sind mit seiner Arbeit zufrieden), ist er aktuell politisch alternativlos. Zudem ist seine Reformagenda nach wie vor ehrgeiziger als im Rest Europas. Die bereits umgesetzten Maßnahmen (im Bereich Arbeitsmarkt, Steuern und Bildung) werden das französische Wachstumspotential mittelfristig anheben. Frankreich ist damit auf gutem Weg, eine stabilisierende Kraft in der Eurozone zu werden. Das Wachstum dürfte bereits 2019 mit knapp 1,5 Prozent höher liegen als im Rest der Eurozone (unsere Prognose: 1,2 Prozent).
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