Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann
Darum ist die neue EZB-Strategie riskant
Daniel Hartmann ist Chefvolkswirt beim Hannoveraner Asset Manager Bantleon. Foto: Thomas Wieland
Kürzlich hat die Europäische Zentralbank ihr Inflationsziel auf glatt 2 Prozent erhöht. Welche Risiken das für Anleger birgt, erklärt Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann.
Die EZB hat nach 18 Jahren ihrer gelpolitischen Strategie einen neuen Anstrich verpasst. Wichtigste Neuerung ist die Anhebung des Inflationsziels. Wurde bisher eine Inflation von „unter, aber nahe 2 Prozent angestrebt“, sind es nunmehr glatt 2 Prozent. In Ausnahmefällen wird überdies sogar ein stärkerer Preisanstieg toleriert. Die EZB folgt damit dem Trend anderer Notenbanken – etwa der Federal Reserve –, die ebenfalls höhere Teuerungsraten und sogar explizit ein Überschiessen des Inflationsziels anstreben.
Wie ihre Vorbilder bleibt die EZB indes eines schuldig: Es fehlen die Belege, die aufzeigen, welche Wohlfahrtsverluste mit niedrigen Inflationsraten verbunden sind. Ein Gegenbeispiel...
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Die EZB hat nach 18 Jahren ihrer gelpolitischen Strategie einen neuen Anstrich verpasst. Wichtigste Neuerung ist die Anhebung des Inflationsziels. Wurde bisher eine Inflation von „unter, aber nahe 2 Prozent angestrebt“, sind es nunmehr glatt 2 Prozent. In Ausnahmefällen wird überdies sogar ein stärkerer Preisanstieg toleriert. Die EZB folgt damit dem Trend anderer Notenbanken – etwa der Federal Reserve –, die ebenfalls höhere Teuerungsraten und sogar explizit ein Überschiessen des Inflationsziels anstreben.
Wie ihre Vorbilder bleibt die EZB indes eines schuldig: Es fehlen die Belege, die aufzeigen, welche Wohlfahrtsverluste mit niedrigen Inflationsraten verbunden sind. Ein Gegenbeispiel ist die Schweiz. Hier hält die Nationalbank unverdrossen an ihrem Inflationsziel von 0 Prozent bis 2 Prozent fest und macht damit gute Erfahrungen. Trotz jahrelang tiefer (zum Teil sogar negativer) Inflationsraten ist weder die Gefahr einer Deflationsspirale virulent noch halten sich die Schweizer Privathaushalte beim Konsum zurück.
Eine Folge der Anhebung des Inflationsziels ist jedenfalls klar: Die Hürden für den Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik sind größer geworden. Im Zweifelsfall wird die EZB eher länger als kürzer an den Negativzinsen und den umfangreichen Wertpapierkäufen festhalten. Die Nebenwirkungen dieser Politik werden einfach ausgeblendet.
Dabei warnt selbst die EZB – als Teil der europäischen Bankenaufsicht – immer häufiger vor den Gefahren von Preisblasen an den Aktien- und Immobilienmärkten (vergleiche Abbildung 1). Eine Ursache dieser Übertreibungen ist zweifellos die Nullzinspolitik, welche die Anleger noch in ganz andere Abenteuer treibt (Hype bei Kryptowährungen).
Darüber hinaus ist es für die Marktwirtschaft schlichtweg schädlich, wenn Kapital stets zum Nulltarif verfügbar ist, Banken subventioniert und Risikoprämien nach unten verzerrt werden. So sorgt die Nullzinspolitik unter anderem dafür, dass hochverschuldete, aber ineffiziente Unternehmen am Markt gehalten werden und somit Jungunternehmen der Marktzutritt erschwert wird. Die Folge daraus ist ein rückläufiges Produktivitätswachstum (vergleiche Abbildung 2).
Mit der neuen Strategie fördert die EZB aber nicht nur Fehlallokationen, sie riskiert überdies, einen Inflationsprozess in Gang zu setzen. Während sich Notenbanker früher darin einig waren, präventiv auf Teuerungsgefahren zu reagieren, wird nunmehr sogar ein Überschiessen der Inflation angestrebt. Gleichzeitig wird versichert, dass jederzeit die Zügel angezogen werden könnten, um galoppierende Inflationsraten zu verhindern. Der Schuss könnte indes nach hinten losgehen. Wenn erst einmal der Geist aus der Flasche ist, lässt er sich nur schwer wieder einfangen.
Im Ergebnis läuft die EZB Gefahr, das Erbe der Bundesbank zu verspielen. Sie nähert sich immer stärker einer Institution an, die ihre Aufgabe vor allem darin sieht, schwache Schuldner zu unterstützen. Der Ausblick für den deutschen Sparer fällt dagegen vernichtend aus. Positive Realzinsen sind auf absehbare Zeit nicht in Sicht. Aber auch bei den Immobilien- und Aktienbesitzern dürfte die Freude über die Strategieanpassung kurzweilig sein, da mittelfristig mit dem Platzen von Vermögenspreisblasen zu rechnen ist.
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