Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau
Darum wächst die Wirtschaft trotz Corona
Jörn Quitzau ist Volkswirt und Leiter des Bereichs Wirtschaftstrends bei der Berenberg Bank. Foto: Berenberg
Im vergangenen Jahr ist die deutsche Wirtschaft trotz Corona-Krise um 2,7 Prozent gewachsen. Für 2022 prognostizieren Experten ein noch größeres Plus. Wie passt das zusammen? Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau erklärt die Hintergründe.
Auf europäischer Ebene wurde der Stabilitätspakt ausgesetzt, sodass die Staaten mehr Schulden machen konnten. Sowohl die deutsche Schuldenbremse als auch der europäische Stabilitätspakt enthalten Ausnahmeregeln für derartige Notlagen und ermöglichen antizyklische Fiskalpolitik in echten Krisensituationen. Letztlich hat das Kurzarbeitergeld einen stärkeren Einschlag am Arbeitsmarkt verhindert.
Auch das Verhalten der Verbraucher hat geholfen. Bekanntlich sind sie im Corona-Ausnahmezustand verstärkt neue oder andere Wege gegangen. Sie haben trotz der Lockdowns Wege gefunden, Geld auszugeben. Die Einzelhandelsumsätze gingen im April 2020 zwar spürbar zurück, doch erstaunlicherweise kollabierten...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Auf europäischer Ebene wurde der Stabilitätspakt ausgesetzt, sodass die Staaten mehr Schulden machen konnten. Sowohl die deutsche Schuldenbremse als auch der europäische Stabilitätspakt enthalten Ausnahmeregeln für derartige Notlagen und ermöglichen antizyklische Fiskalpolitik in echten Krisensituationen. Letztlich hat das Kurzarbeitergeld einen stärkeren Einschlag am Arbeitsmarkt verhindert.
Auch das Verhalten der Verbraucher hat geholfen. Bekanntlich sind sie im Corona-Ausnahmezustand verstärkt neue oder andere Wege gegangen. Sie haben trotz der Lockdowns Wege gefunden, Geld auszugeben. Die Einzelhandelsumsätze gingen im April 2020 zwar spürbar zurück, doch erstaunlicherweise kollabierten sie nicht, sondern fielen nur auf das Niveau vom Jahresbeginn 2017 zurück (um in den Sommermonaten 2020 umso mehr zu boomen).
Selbst in einer Zeit, in der nahezu alle Einzelhandelsgeschäfte außer den Supermärkten geschlossen waren, gaben die Verbraucher also immer noch so viel Geld aus wie im ganz normalen Geschäftsbetrieb drei Jahre zuvor. Der E-Commerce bekam einen kräftigen Schub, Supermärkte erlebten eine Sonderkonjunktur und notgedrungen gaben die Verbraucher einen Teil ihrer Urlaubskasse im Inland aus. All das stabilisierte die Nachfrageseite.
Der gesamtwirtschaftliche Befund fällt gemessen an den Befürchtungen zu Beginn der Pandemie also überraschend positiv aus. Dennoch ist nicht alles Gold was glänzt. Die Pandemie hat wirtschaftlich schwerere Schäden angerichtet, als es der erste Blick vermuten lässt. Trotz des erfreulichen Wachstums im vergangenen Jahr lag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2021 noch immer um 2,0 Prozent unter dem Wert des letzten Vorkrisenjahres 2019. Bisher wurde also nur der Einschlag aus dem Jahr 2020 (-4,6 Prozent) zum Teil ausgebügelt. Eine Rückkehr zur Normalität ist es noch nicht.
Wichtiger noch: Wer nur auf hochaggregierte, gesamtwirtschaftliche Kennzahlen schaut, der übersieht, dass die Pandemie Gewinner und Verlierer produziert hat. Die Einzelschicksale – seien es ganze Branchen, Unternehmen oder Einzelpersonen – spielen bei gesamtwirtschaftlichen Analysen allenfalls eine untergeordnete Rolle.
Über den Autor