Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau
Darum wächst die Wirtschaft trotz Corona
Jörn Quitzau ist Volkswirt und Leiter des Bereichs Wirtschaftstrends bei der Berenberg Bank. Foto: Berenberg
Im vergangenen Jahr ist die deutsche Wirtschaft trotz Corona-Krise um 2,7 Prozent gewachsen. Für 2022 prognostizieren Experten ein noch größeres Plus. Wie passt das zusammen? Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau erklärt die Hintergründe.
So reicht ein Blick in die Innenstädte, um zu erkennen, dass die soliden Einzelhandelsdaten der letzten zwei Jahre viele Geschäfte nicht vor dem Aus retten konnten. Der Boom des E-Commerce hat nicht allen Händlern gleichermaßen geholfen. Und die Bruttowertschöpfung des sogenannten sonstigen Dienstleistungssektors, zu dem Sport, Kultur und Kreativwirtschaft zählen, liegt noch rund 10 Prozent unter dem Vorkrisenniveau.
Dass sich die wirtschaftliche Situation für viele Bürger individuell nicht so gut anfühlt, wie es die Daten vermuten lassen, mag auch daran liegen, dass Teile des BIP in den Augen der Bürger keinen Wohlfahrtsgewinn darstellen. Das BIP enthält inzwischen auch jede Menge...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
So reicht ein Blick in die Innenstädte, um zu erkennen, dass die soliden Einzelhandelsdaten der letzten zwei Jahre viele Geschäfte nicht vor dem Aus retten konnten. Der Boom des E-Commerce hat nicht allen Händlern gleichermaßen geholfen. Und die Bruttowertschöpfung des sogenannten sonstigen Dienstleistungssektors, zu dem Sport, Kultur und Kreativwirtschaft zählen, liegt noch rund 10 Prozent unter dem Vorkrisenniveau.
Dass sich die wirtschaftliche Situation für viele Bürger individuell nicht so gut anfühlt, wie es die Daten vermuten lassen, mag auch daran liegen, dass Teile des BIP in den Augen der Bürger keinen Wohlfahrtsgewinn darstellen. Das BIP enthält inzwischen auch jede Menge Corona-bedingte Ausgaben.
Ob Bürger- oder PCR-Tests, die Kosten der Impfungen, die Ausgaben für Schutzmasken und Desinfektionsmittel, Luftfilteranlagen oder die Behandlungskosten und Reha-Maßnahmen der Corona-Erkrankten – all diese Ausgaben erhöhen das BIP. Viele Menschen nehmen den BIP-Zuwachs aber nicht als wohlstandssteigernd war, denn in der Welt vor Corona konnten sie das Geld, das sie heute etwa in Corona-Prävention investieren müssen, für Dinge ausgeben, die ihnen Freude bereiten.
Auch wenn beim Blick hinter die Kulisse der gesamtwirtschaftlichen Daten solche weniger schönen Umstände auffallen, bleibt der Gesamtbefund doch positiv: Alles in allem war die Wirtschaftspolitik während der Pandemie erfolgreich. Ein langanhaltender Konjunkturabschwung wurde genauso abgewendet wie ein Finanzkollaps. Der Erfolg der Wirtschaftspolitik bringt aber auch einige Risiken und Nebenwirkungen mit sich.
Zu den Nebenwirkungen gehört die gestiegene Inflationsrate. Die extrem expansive Geld- und Finanzpolitik hat nicht nur einen schärferen Konjunktureinbruch verhindert, sondern auch einen überraschend starken Wiederaufschwung ermöglicht.
Über den Autor