Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau
Darum wächst die Wirtschaft trotz Corona
Jörn Quitzau ist Volkswirt und Leiter des Bereichs Wirtschaftstrends bei der Berenberg Bank. Foto: Berenberg
Im vergangenen Jahr ist die deutsche Wirtschaft trotz Corona-Krise um 2,7 Prozent gewachsen. Für 2022 prognostizieren Experten ein noch größeres Plus. Wie passt das zusammen? Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau erklärt die Hintergründe.
Während der Lockdown-Phasen konnten die Verbraucher Geld zur Seite legen, das sie nach Ende der Lockdowns ausgegeben konnten. Die Nachfrage überstieg dabei das Angebot und folglich stiegen die Preise. Eine moderat höhere Inflation ist aber allemal besser als die wirtschaftlichen Schäden, die sich eingestellt hätten, wenn die Geld- und Finanzpolitiker vor allem zu Beginn der Pandemie nicht so beherzt eingegriffen hätten.
Zu den Risiken gehört, dass sich die Politik an dem eigenen Erfolg berauscht und die aktive wirtschaftspolitische Rolle, die in Krisen gerechtfertigt ist, auch in normalen Zeiten für angebracht hält. Die Staatsquote – ein Indikator für den staatlichen Einfluss auf das...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Während der Lockdown-Phasen konnten die Verbraucher Geld zur Seite legen, das sie nach Ende der Lockdowns ausgegeben konnten. Die Nachfrage überstieg dabei das Angebot und folglich stiegen die Preise. Eine moderat höhere Inflation ist aber allemal besser als die wirtschaftlichen Schäden, die sich eingestellt hätten, wenn die Geld- und Finanzpolitiker vor allem zu Beginn der Pandemie nicht so beherzt eingegriffen hätten.
Zu den Risiken gehört, dass sich die Politik an dem eigenen Erfolg berauscht und die aktive wirtschaftspolitische Rolle, die in Krisen gerechtfertigt ist, auch in normalen Zeiten für angebracht hält. Die Staatsquote – ein Indikator für den staatlichen Einfluss auf das Wirtschaftsleben – ist im ersten Corona-Jahr 2020 auf 50,8 Prozent gestiegen (von 45 Prozent im Jahr 2019); Daten für 2021 liegen noch nicht vor). Dass sich die Politik nicht so schnell wieder von ihrer aktiveren Rolle verabschieden möchte, ist kaum zu übersehen.
Letztlich hatte das geglückte wirtschaftspolitische Eingreifen wohl auch Auswirkungen auf das Pandemie-Management. Da die wirtschaftlichen Schäden bisher ganz gut überbrückt wurden, hat Deutschland offenbar eine relativ hohe Affinität zu restriktiven Maßnahmen entwickelt, um so das Virus einzudämmen.
Ziel der Politik war und ist es, die Nachfrage nach Intensivbetten zu reduzieren. Es galt und gilt, eine Überlastung der Krankenhäuser zu vermeiden. Eine Überlastung der Krankenhäuser ließe sich aber auch dadurch vermeiden, dass die Kapazitäten erhöht werden, das Angebot also ausgeweitet wird. Strategische Reserven sowohl bei den Krankenstationen als auch beim Personal und eine spürbar bessere Bezahlung über einmalige Sonder-Boni hinaus wären angezeigt.
Davon ist selbst nach zwei Jahren Corona-Pandemie recht wenig zu hören. Es wäre günstiger, im Gesundheitswesen die Kapazitäten auszuweiten, als immer wieder Teile der Volkswirtschaft temporär lahm zu legen. Vor allem wäre es aber ein echter Gewinn für das Krankenhauspersonal, nicht permanent am Anschlag arbeiten zu müssen.
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