Gerd Kommer und Felix Großmann Darum werden die meisten Menschen nicht reich
Bücher, Finanz-Blogs und Seminare zur Frage „wie werde ich reich?“ existieren wie Sand am Meer. Viele davon sind Finanzpornographie. Solche Veröffentlichungen kennzeichnet, dass die Aussagen und Versprechen darin durch Investieren nebenberuflich reich zu werden unrealistisch, sachlich in hohem Maße fragwürdig und insgesamt ganz einfach unseriös sind.
Das gilt für Börseninvestments und das gilt für Immobilienanlagen. Ein gutes Beispiel dafür ist das 2001 erschienene Investmentratgeberbuch "Ich mache Sie reich – der Mann, der Millionäre macht" von Markus Frick. Diejenigen, die damals durch Fricks Bücher und Seminare an der Börse reich werden wollten, sind in zahlreichen Fällen stattdessen ärmer geworden.
Im Jahr 2011 wurde Frick vom Landgericht Berlin wegen des Straftatbestandes Marktmanipulation zu Lasten von Anlegern zu einer Geldstrafe und in einem weiteren Strafprozess 2014 zu einer zweieinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Frick ist sicherlich ein extremer Fall auf dem Gebiet toxischer An-der-Börse-reich-werden-Versprechen, aber extreme Fälle wie dieser illustrieren das Grundprinzip.
Was bedeutet in diesem Zusammenhang „unrealistisch, sachlich fragwürdig und unseriös“? Wer setzt dafür den Maßstab? Ganz einfach: Die Wissenschaft, insbesondere die Statistik. Genauso wie die Wissenschaft den Maßstab für die Beurteilung unrealistischer, unseriöser Aussagen und Versprechen von Scharlatanen auf dem Gebiet von Medizin und Gesundheit setzt.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Vor diesem Hintergrund wollen wir nachfolgend drei Fragen beantworten: (1) Warum ist das Ziel „reich werden an der Börse oder reich werden mit Immobilien“ für normale Menschen und Haushalte realitätsfremd? (2) Weshalb tun die meisten Privathaushalte dennoch gut daran, möglichst früh Aktienanlagen zu tätigen? (3) Wenn nicht über die Börse oder über Immobilien, wie kann man denn sonst reich werden?
Zu Frage 1: Warum ist reich werden an der Börse für normale Menschen unrealistisch?
Selbst, wenn wir reich für diese Zwecke eher bescheiden und statisch als ein Nettovermögen (Bruttovermögen minus Schulden) von einer Million Euro definieren würden, ist diese Million immer noch viermal so viel wie ein normaler Arbeitnehmer in Deutschland mit statistischen Durchschnittswerten für Einkommen, Sparrate, Investmentnebenkosten, Steuerbelastung (also mit normaler Erwerbsbiographie) am Beginn seines Ruhestands im Alter von 65 Jahren selbst mit einem aggressiven 100-Prozent-Aktienportfolio erreicht.
Die mittlere statistische Erwartung für den Vermögensendwert liegt in diesem Szenario bei inflationsbereinigt rund 250.000 Euro. Auch das sind nach Daten der Bundesbank noch 150 Prozent mehr als das tatsächliche Median-Nettovermögen eines typischen 65-jährigen Bundesbürgers von rund 90.000 Euro – ohne den Barwert der Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung. (Diese Zahl und alle nachfolgenden sind inflationsbereinigt – das heißt, wir sprechen von der Kaufkraft, die 250.000 Euro heute haben, nicht von der voraussichtlich um etwa die Hälfte geschrumpften Kaufkraft, die 250.000 Euro in 30 Jahren haben werden. Wer langfristige Vermögenskalkulationen mit nicht inflationsbereinigten Renditezahlen anstellt, rechnet unseriös, wie auch derjenige, der Steuern und Nebenkosten nicht abzieht.)