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Gerd Kommer und Felix Großmann Darum werden die meisten Menschen nicht reich

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Dass ein durchschnittlicher Arbeitnehmerhaushalt ein 100-Prozent-Aktienportfolio mental wohl kaum über 45 Jahre durchhalten würde, sei hier nur am Rande bemerkt. Legt man solchen Kalkulationen nicht Kapitalmarktanlagen, sondern Wohnimmobilien zur Selbstnutzung oder zur Vermietung zugrunde, resultiert kein grundsätzlich anderes Ergebnis, wenn überhaupt eher ein schlechteres.

Und wenn wir eine solchen Berechnung ab dem 25. Lebensjahr auf der Basis des höheren Gehalts einer Führungskraft (ein Arbeitnehmer mit Personalverantwortung) durchführen, wird dieser Arbeitnehmer inflationsbereinigt im Alter von 65 nach 40 Jahren Arbeitsjahren statistisch ein Endwertvermögen von 430.000 Euro (Depotvolumen) erreicht haben. Auch das liegt meilenweit unterhalb unserer ohnehin schon niedrig angesetzten Reichtumsschwelle von einer Million Euro im Alter von 65.

Würde man die Schwelle zum reich sein, statt bei einer Million Euro sinnvoller bei „so viel Vermögen, dass man bei einem normalen Lebensstandard nie mehr für Geld arbeiten muss“ ansetzen, dann käme für praktisch jede vernünftige Kombination aus Lebensalter und Lebenshaltungskosten eine deutlich höhere Reichtumsschwelle heraus.

Diese Schwelle wäre umso höher, je jünger die betreffende Person ist. Das ist deswegen so, weil ein jüngerer, nicht mehr arbeitender Mensch mit seinem Vermögen eine längere Restlebenserwartung finanzieren muss. All das ist eigentlich banal und jeder akademischer Reichtumsforscher würde angesichts solcher Feststellungen nur müde gähnen. Die Vermarkter von Reich-werden-Investmentpornographie stellen den Sachverhalt in ihren Ratgeberbüchern, YouTube-Videos und Seminaren trotzdem ganz anders dar – wie damals Markus Frick.

Diesen Experten zufolge kann letztlich jeder als Angestellter nebenberuflich mit Spekulation in Aktien oder Immobilien reich werden. Er muss nur das jeweilige Reich-werden-Rezept befolgen, das von dem Experten in Buch- oder Seminarform vermarktet wird. Diese Rezepte sind bei genauerer Betrachtung eine jeweils spezifische Mischung aus (a) systematisch überoptimistischen Annahmen zu Rendite und Risiko der propagierten Investments, (b) falschen Rechenmethoden oder (c) der Verklärung seltener positiver Ausreißer als „im Prinzip für jeden erreichbar“.

Wenn nun jemand diese drei Verzerrungen bei einem spezifischen Reichmacher hinterfragt und zerpflückt, dann ist dessen schlaues Ausweichmanöver üblicherweise die Umdefinition von „reich sein“ in das viel moderatere Ziel „mehr Geld haben als der Durchschnittsbürger“ – ein rhetorischer Trick, der schon bei sechsjährigen Kindern beobachtbar ist.

Zu Frage 2: Weshalb sollten Privathaushalte dennoch möglichst früh Aktienanlagen tätigen?

Auch die Antwort auf diese Frage ist recht simpel. Die gesetzliche Rentenversicherung wird als alleinige Altersvorsorge für Jahrgänge ab etwa 1960 und jünger die Beibehaltung ihres vor dem Eintritt in den Ruhestand gewohnten Lebensstandards beinahe sicher nicht gewährleisten.

Wer also seinen Lebensstandard im Alter nicht senken möchte, der muss als normaler Arbeitnehmer neben seinen Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung zusätzlich privat Vermögen bilden. Er könnte dies über den rechtzeitigen kreditfinanzierten Erwerb einer selbstgenutzten Wohnimmobilie tun oder eben über Kapitalmarktanlagen – am besten in Gestalt eines kostengünstigen ETF-Portfolios auf Buy-and-Hold-Basis.

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