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Das Dollar-Mysterium

Martin Hüfner
Martin Hüfner
Da stimmt etwas nicht. Alle reden davon, dass sich der Dollar auf den Devisenmärkten aufwerten muss. Viele haben ein Kursziel von 1,25 Dollar je Euro im Auge. Tatsächlich ist die US-Währung an den Märkten aber eher schwach. Sie hat sich gegenüber dem Euro in den letzten sechs Wochen sogar noch einmal um 3 % abgewertet. Auch gegenüber dem Britischen Pfund, dem japanischen Yen oder dem Australischen Dollar hat die amerikanische Währung an Wert verloren. Müssen wir die Prognosen revidieren?

Zunächst eine Warnung: Kurzfristige Bewegung am Devisenmarkt sollte man nicht überbewerten, insbesondere nicht in der Ferienzeit, in der die Umsätze relativ gering sind. Die Grafik zeigt, dass sich trotz der jüngsten Abwertung des Dollar an dem langfristigen Bild nichts geändert hat. Seit dem Beginn der großen Finanzkrise 2008 befindet sich der Euro unter starken Schwankungen in einer leichten Abwärtsbewegung.

Was aber irritiert ist, dass die ökonomischen Argumente überwiegend für einen stärkeren Dollar sprechen. Das Wirtschaftswachstum ist in den USA höher als in der Mehrzahl der anderen Industrieländer. Es dürfte sich 2013 auf knapp 2 Prozent belaufen, im nächsten Jahr sogar auf 2,5 Prozent. Europa: 2013 minus 0,6 Prozent, 2014 plus 0,9 Prozent. Unter solchen Bedingungen müssten die Kapitalbewegungen eher in Richtung USA gehen.

Die Zinsen haben in den USA seit der Ankündigung des Tapering, das heißt des Endes der Wertpapierkäufe der amerikanischen Notenbank auf den Kapitalmärkten, am langen Ende um mehr als einen Prozentpunkt angezogen. Die europäischen Sätze sind, gemessen an der Rendite 10-Jähriger Bundesanleihen, zwar auch nach oben gegangen, aber wesentlich weniger (nur etwas mehr als einen halben Prozentpunkt). Die höhere Zinsdifferenz wird bleiben, auch wenn sich das Tapering marktschonend vollziehen wird. Auch das spricht für den Dollar.

Interessant ist allerdings, dass die kurzfristigen Zinsen in den USA nach wie vor deutlich unter denen in Europa liegen. Daran wird sich auch in den kommenden zwölf Monaten nichts ändern. Normalerweise sind es diese Sätze, die die Wechselkurse am stärksten beeinflussen. Die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs hat sich aus diesem Grund von den Dollarprognosen ihrer Konkurrenten abgesetzt und rechnet mit einem Kurs der amerikanischen Währung von 1,40 Dollar je Euro in einem Jahr.

Stützend für den Dollar müsste sich auswirken, dass sich die amerikanischen Aktienmärkte besser als viele andere in der Welt entwickeln. Seit Jahresanfang ist der Dow Jones Industrial um 18 Prozent gestiegen, der Euro Stoxx dagegen nur um 7 Prozent. Auch dies ist ein Indiz, dass Geld in die USA fließt, nicht nach Europa.

Weitere Pluspunkte für den Dollar: Die Amerikaner machen außerordentliche Fortschritte bei der Reduzierung der öffentlichen Defizite. Sie sind jetzt nicht mehr viel schlechter als die Europäer, die so große Anstrengungen beim Sparen machen.

Die Inflation ist in den USA trotz des ordentlichen Wachstums nicht höher als in Europa (derzeit 1,8 Prozent). Nicht zu vergessen auch der Ausbau des Fracking bei der Öl- und Gasförderung. Es gibt Prognosen, dass dies die Amerikaner unabhängig von Öl- und Gasimporten machen könnte.

Man muss schon suchen, um angesichts dieser Argumente Gründe für einen schwächeren Dollar zu finden. Einer ist, dass sich die Leistungsbilanz der Amerikaner nicht weiter verbessert. Sie wird in diesem Jahr ein Defizit in Höhe von unverändert 350 Milliarden Euro aufweisen (3 Prozent des Brutto inlands Produkts (BIP)).

Umgekehrt hat Europa als Folge der besseren Wettbewerbsfähigkeit und der Austeritätspolitik seit einem Jahr ein kräftiges Plus in den laufenden Posten (in diesem Jahr mehr als 200 Milliarden Euro beziehungsweise 2 Prozent des BIP). Europa ist in der Welt zu einer Überschussregion geworden. Das hilft dem Euro.

Ein zweiter Grund: In den letzten Wochen hat sich die konjunkturelle Stimmung im Euroraum aufgehellt. Es gab bessere Zahlen vor allem in Spanien und Italien. Sie stützten die Erwartung, dass diese Länder im zweiten Halbjahr die Rezession verlassen könnten. Ich setze freilich nicht zu sehr auf diesen Faktor.

Es können zwar noch ein paar mehr positive Überraschungen kommen, wenn die Ergebnisse der Tourismus-Saison bekannt werden. Andererseits werden nach den deutschen Wahlen am 22. September manche ungelöste Fragen über die Zukunft des Euros hochkommen, die die Märkte wieder verunsichern könnten (Schuldenschnitt Griechenland, Euro-Bonds, Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum OMT, ...).

Eigentlich kann man nur sagen: Entweder haben die Analysten bei den Wechselkursprognosen etwas übersehen (dann müssten sie später ihre Prognosen revidieren), oder der Markt bewegt sich in die falsche Richtung (dann kommt es doch noch zu der Aufwertung des Dollar).

Ich neige nach wie vor zu der Meinung, dass sich der Dollar in den nächsten Monaten befestigen wird. Angesichts der Unsicherheiten, mit denen Wechselkursprognosen generell verbunden sind (und angesichts der Tatsache, dass es sich nicht um riesengroße Veränderungen handelt), sollte man mit Positionen in Währungen allerdings vorsichtig sein. Die europäischen Aktienmärkte leiden tendenziell unter dem starken Euro, da er die Gewinne in der Exportindustrie schmälert. Umgekehrt profitieren die US-Aktienmärkte.

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