Feri-Vorstand Heinz-Werner Rapp
Das Governance-Paradoxon
Aktualisiert am 07.04.2022 - 10:54 Uhr
Heinz-Werner Rapp ist Vorstand von Feri sowie Gründer und Leiter des Feri Cognitive Finance Institute. Foto: Feri
Die Haftung für Fehlverhalten ist in Politik und Wirtschaft unfair geregelt. Während für Unternehmen strenge Regeln gelten, müssen Politiker meiste keine Strafen fürchten. Ein inakzeptables Paradoxon, findet Feri-Vorstand Heinz-Werner Rapp.
Das Verharmlosen, Negieren und Ignorieren der Pandemie auf höchster politischer Ebene führte speziell dort zu eklatant schlechten Ergebnissen bei ihrer Bekämpfung. In einer Demokratie haben Bürger das Recht, von ihren Regierungen ein Mindestmaß an Good Governance zu fordern. Dieser Anspruch wird nicht erfüllt, wenn
Regierungen beziehungsweise deren Spitzenvertreter systematisch lügen, wissenschaftliche Erkenntnisse unterdrücken oder politisch manipulieren,
normales staatliches Handeln zum Wohle der Bürger nicht mehr stattfindet und durch reine Polit-Shows und „Reality-TV“-Auftritte ersetzt wird,
politische Verantwortung dreist ignoriert, abgelehnt oder vorsätzlich auf...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Das Verharmlosen, Negieren und Ignorieren der Pandemie auf höchster politischer Ebene führte speziell dort zu eklatant schlechten Ergebnissen bei ihrer Bekämpfung. In einer Demokratie haben Bürger das Recht, von ihren Regierungen ein Mindestmaß an Good Governance zu fordern. Dieser Anspruch wird nicht erfüllt, wenn
- Regierungen beziehungsweise deren Spitzenvertreter systematisch lügen, wissenschaftliche Erkenntnisse unterdrücken oder politisch manipulieren,
- normales staatliches Handeln zum Wohle der Bürger nicht mehr stattfindet und durch reine Polit-Shows und „Reality-TV“-Auftritte ersetzt wird,
- politische Verantwortung dreist ignoriert, abgelehnt oder vorsätzlich auf nachrangige Ebenen verschoben wird
- durch plumpe Polit-Propaganda enorme wirtschaftliche, soziale und medizinische Risiken erzeugt, verstärkt oder billigend in Kauf genommen werden,
- wie im Fall Donald Trumps Nepotismus, Amtsmissbrauch, Korruption und persönliche Bereicherung zum Normalfall werden sowie etablierte demokratische Grundregeln und Gesetze mit voller Absicht gebeugt, verletzt oder gebrochen werden.
Ein Good Governance-Kodex
Die Tatsache, dass selbst in alten Demokratien wie den USA und Großbritannien derart eklatante Verstöße sowohl gegen Grundprinzipien liberaler Demokratie als auch gegen Mindestansprüche an „Good Governance“ stattfinden können, ist äußerst beunruhigend. Dahinter steht ein gefährlicher und langfristig destruktiver Trend:
- Politische Führung könnte staatliche Pflichten immer mehr vernachlässigen, sich aber zugleich grundsätzlich von Verantwortung freisprechen.
- Politik würde immer stärker freihändig agieren und wäre letztlich in einem verantwortungs- und haftungsfreien Raum.
- Demokratische Grundwerte, aber auch konkrete Rechte und Ansprüche der Bürger an den Staat verkämen dann zu reiner Makulatur.
Um diesem Trend entgegen zu wirken, sollte sich die Politik in westlichen Ländern, ähnlich wie die Wirtschaft, an einem klaren Kodex orientieren, der Grundregeln für „Good Governance“ definiert und verpflichtend einfordert:
- Staatliches Handeln, insbesondere eklatantes Regierungsversagen, sollte zu jeder Zeit an diesem Governance-Kodex gemessen und bei Verstößen geahndet werden.
- Allgemeines Regierungshandeln sollte ähnlich wie staatliche Ausgaben (Bundesrechnungshof) unabhängig geprüft werden.
- Besonders bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen sollte eine juristische Überprüfung von Amtsträgern mit klaren Sanktionen möglich sein, die deutlich über das übliche politische Verfahrensrecht hinausgeht.
Die massive Diskrepanz zwischen einem immer engeren Regulierungs-Korsett der Wirtschaft und den immer breiteren Freiräumen der Politik ist undemokratisch, ungerecht und nicht länger akzeptabel. Politische Reformkräfte sollten deshalb das „Governance-Paradoxon“ baldmöglichst ambitioniert angehen. Der Beifall aus Wirtschaft und Wählerschaft wäre sicher.
Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?
Über den Autor