Ifo-Studie
So könnte ein deutscher Bürgerfonds aussehen
Clemens Fuest. Der Präsiden des Ifo-Instituts hat zusammen mit Christa Hainz und Volker Meier vom Ifo-Institut sowie Martin Werding von der Ruhr-Universität Bochum ein Konzept für einen Bürgerfonds erarbeitet. Foto: Ifo
Um das Problem mangelhafter Altersvorsorge vieler Deutscher in den Griff zu bekommen, könnte ein Bürgerfonds eingerichtet werden. Wissenschaftler des Ifo-Instituts und der Ruhr-Universität Bochum um Ifo-Präsident Clemens Fuest legen konkrete Ideen vor.
Konzeption des deutschen Bürgerfonds und Staatsfonds in der Praxis
Die Möglichkeiten eines deutschen Bürgerfonds sollen nach den Erfahrungen mit anderen Staatsfonds ausgelotet werden, wobei der norwegische Pensionsfonds (Government Pension Fund Global), der auch als Ölfonds bezeichnet wird, als mögliches Vorbild besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die international als Staatsfonds bezeichneten Institutionen unterscheiden sich in zahlreichen Aspekten. Der kleinste gemeinsame Nenner lautet: Ein Staatsfonds ist ein staatlicher Investmentfonds, der langfristig im In- und Ausland Investitionen tätigt, um Erträge zu erzielen (Megginson und Fotak 2015, S. 737). Das Sovereign...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Konzeption des deutschen Bürgerfonds und Staatsfonds in der Praxis
Die Möglichkeiten eines deutschen Bürgerfonds sollen nach den Erfahrungen mit anderen Staatsfonds ausgelotet werden, wobei der norwegische Pensionsfonds (Government Pension Fund Global), der auch als Ölfonds bezeichnet wird, als mögliches Vorbild besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die international als Staatsfonds bezeichneten Institutionen unterscheiden sich in zahlreichen Aspekten. Der kleinste gemeinsame Nenner lautet: Ein Staatsfonds ist ein staatlicher Investmentfonds, der langfristig im In- und Ausland Investitionen tätigt, um Erträge zu erzielen (Megginson und Fotak 2015, S. 737). Das Sovereign Wealth Fund Institute verzeichnet 78 Staatsfonds, die zusammen schätzungsweise ein Vermögen von rund 7.000 Milliarden Euro verwalten (Sovereign Wealth Fund Institute 2019). Viele Staatsfonds sind erst nach der Jahrtausendwende entstanden. Häufig wurden sie gegründet, um Einkünfte aus Rohstoffverkäufen oder hohe Fremdwährungsreserven, die bislang von der Notenbank gehalten wurde, anzulegen (Megginson und Fotak 2015). Tabelle 1 gibt einen Überblick über die weltweit zehn größten Staatsfonds. Die größten Staatsfonds stammen nach diesen Angaben aus Norwegen, China und den Vereinigten Arabischen Emiraten – Abu Dhabi. Dabei ist zu beachten, dass in einigen Ländern mehrere Staatsfonds existieren. Um die Größe der einzelnen Staatsfonds einzuschätzen, kann die Marktkapitalisierung der 30 deutschen, im DAX enthaltenen Unternehmen in Höhe von über 1.000 Milliarden EUR als Anhaltspunkt dienen. Das im norwegischen Pensionsfonds angesammelte Kapital liegt noch unter dieser Marke.
Tabelle 1: Die weltweit zehn größten Staatsfonds
(1) Die Staatsfonds unterscheiden sich stark in ihrer Transparenz. Daher beruhen einige der hier aufgeführten Angaben auf Schätzungen.
(2) Die ersten Einzahlungen erfolgten im Jahr 1996.
Megginson und Fotak (2015) fassen in ihrem Überblicksaufsatz die Forschungsergebnisse zum Thema zusammen. Sie zeigen, dass viele Staatsfonds in ihrer Organisations- und Finanzstruktur institutionellen Anlegern, wie z.B. Pensionsfonds, ähneln. Da Staatsfonds häufig wenig transparent sind, stehen über ihre Anlagen nur in begrenztem Umfang Informationen zur Verfügung. Oft kann ihr Anlageverhalten als passiv bezeichnet werden, aber es bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Staatsfonds. Sie erwerben häufig größere Minderheitsbeteiligungen an börsennotierten Unternehmen im Ausland und investieren besonders stark im Finanzsektor. Die existierenden Studien legen zudem nahe, dass die Renditen von Staatsfonds niedriger ausfallen als die von vergleichbaren privat geführten Fonds.
Für die Auszahlungen aus dem deutschen Bürgerfonds spielen die mit den Anlagen erzielbaren Renditen sowie die Zinsen auf die Staatsanleihen eine zentrale Rolle. Die Mittel des Staatsfonds sollten international angelegt und breit diversifiziert werden. Als Vorbild könnte der norwegische Pensionsfonds dienen. Derzeit sind 66,3 Prozent seines Fondsvermögens in Aktien investiert, 30,7 Prozent in festverzinslichen Wertpapieren und 3,0 Prozent in nicht börsennotierten Immobilien (Norges Bank Investment Management 2019). In der Zeit von 1998 bis 2018 erzielte der norwegische Pensionsfonds eine jährliche Rendite von 5,47 Prozent; die jährlichen Kosten für die Verwaltung des Fonds beliefen sich in diesem Zeitraum auf 0,08 Prozentpunkte (Norges Bank Investment Management 2019). Die vom norwegischen Staatsfonds in den gut 20 Jahren seines Bestehens erzielte Performance kann als eine erste Orientierung für die mögliche Rendite dienen. Ein Vergleich der Renditen verschiedener Anlageklassen für verschiedene Anlagezeiträume zeigt, dass sich die Wertentwicklung im Zeitablauf stark verändern kann.
Die Investitionen werden durch die Emission von Staatsanleihen finanziert, für die Schuldzinsen anfallen. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Schuldzinsen, die auf deutsche Staatsschuldtitel in den vergangenen Jahrzehnten bezahlt werden mussten. Als Maß dafür verwenden wir die durchschnittliche Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere. Die lange Zeitreihe umfasst sowohl Hochzinsphasen in den 1960er und 1970er Jahren mit Zinssätzen von über 10 Prozent als auch die aktuelle Niedrigzinsphase mit zeitweise negativen Zinssätzen. In den letzten 50 Jahren beliefen sich die Schuldzinsen auf durchschnittlich 5,50 Prozent. Für die vergangenen 40 Jahre lag der Durchschnitt bei 4,91 Prozent, für 30 Jahre bei 4,03 Prozent und für 20 Jahre bei 2,69 Prozent. Je kürzer der betrachtete Zeitraum, desto stärker fällt die ausgeprägte Niedrigzinsphase der letzten Jahre bei der Berechnung des Durchschnitts ins Gewicht.
Abbildung 1: Verzinsung deutscher Staatsanleihen
Hinweis: Berechnet aus den Monatsdurchschnitten der Umlaufsrenditen börsennotierter Bundeswertpapiere.
Außerdem fallen Kosten für das Management und die Verwaltung der Anlagen an. Bei Exchange Traded Funds (ETFs), die passiv einen Aktienindex abbilden, schwanken die Kosten zwischen 0,1 und 0,5 Prozentpunkten. Beim Norwegischen Pensionsfonds betragen die Verwaltungskosten wie bereits erwähnt 0,08 Prozentpunkte. Beim deutschen Bürgerfonds müssen aber nicht nur die Anlagen, sondern auch die Verschuldung gemanagt werden. Dafür werden ebenfalls Kosten entstehen.
3 Die Basisvariante
Für Modellrechnungen zu Aufbau und Ausschüttungen eines deutschen Staatsfonds werden hier verschiedene Annahmen getroffen. Sie beziehen sich teilweise auf die Ausgestaltung des Fonds und können bei einer praktischen Umsetzung der Idee verändert werden. Teilweise betreffen sie die demographischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, unter denen die Finanzen des Fonds sich in Zukunft entwickeln. Betrachtet wird hier zunächst die Basisvariante dieser Modellrechnungen.
Über die Autoren