Ifo-Studie
So könnte ein deutscher Bürgerfonds aussehen
Clemens Fuest. Der Präsiden des Ifo-Instituts hat zusammen mit Christa Hainz und Volker Meier vom Ifo-Institut sowie Martin Werding von der Ruhr-Universität Bochum ein Konzept für einen Bürgerfonds erarbeitet. Foto: Ifo
Um das Problem mangelhafter Altersvorsorge vieler Deutscher in den Griff zu bekommen, könnte ein Bürgerfonds eingerichtet werden. Wissenschaftler des Ifo-Instituts und der Ruhr-Universität Bochum um Ifo-Präsident Clemens Fuest legen konkrete Ideen vor.
Die jährlichen Zuführungen zum Fonds werden stets zu gleichen Teilen auf alle Anteilseigner aufgeteilt und ihnen in individuellen Konten gutgeschrieben. Die individuellen Fondsanteile variieren daher mit der Dauer der Teilnahme. Sie bestimmen zugleich, welche Anteile an den Erträgen des Fonds auf individuelle Konten entfallen. Vorab werden aus den Erträgen allerdings auch die laufenden Schuldzinsen auf die Mittel gedeckt, die zur Finanzierung des Fonds aufgenommen wurden, damit sich die laufende Neuverschuldung nicht weiter erhöht.5 Sobald die Anteilseigner die gesetzliche Regelaltersgrenze erreichen, werden ihre Konten aufgelöst. Aus dem letzten Kontostand werden zunächst die Schulden liquidiert,...
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Die jährlichen Zuführungen zum Fonds werden stets zu gleichen Teilen auf alle Anteilseigner aufgeteilt und ihnen in individuellen Konten gutgeschrieben. Die individuellen Fondsanteile variieren daher mit der Dauer der Teilnahme. Sie bestimmen zugleich, welche Anteile an den Erträgen des Fonds auf individuelle Konten entfallen. Vorab werden aus den Erträgen allerdings auch die laufenden Schuldzinsen auf die Mittel gedeckt, die zur Finanzierung des Fonds aufgenommen wurden, damit sich die laufende Neuverschuldung nicht weiter erhöht.5 Sobald die Anteilseigner die gesetzliche Regelaltersgrenze erreichen, werden ihre Konten aufgelöst. Aus dem letzten Kontostand werden zunächst die Schulden liquidiert, die auf die individuellen Anteile an den vorherigen Zuführungen zurückgehen. Verbleibende Überschüsse, die aus der Differenz zwischen Schuldzins und erwirtschafteter Rendite resultieren, werden den Anteilseignern für ihre Ruhestandsphase als Kapitalbetrag ausgezahlt. Wenn solche Kapitalbeträge nach einer gewissen Anlaufzeit ausreichend hoch werden, können sie im Prinzip auch in auf Lebenszeit gewährte Renten umgewandelt werden.
Wie sich die individuellen Anteile an den jährlichen Zuführungen und am Fonds entwickeln, wird somit unter anderem stark von der Zahl der Anteilseigner bestimmt. In der Basisvariante wird angenommen, dass der Teilnehmerkreis die gesamte Wohnbevölkerung im Alter ab 15 Jahren und bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze umfasst. Diese Grenze liegt im Jahr 2020 bei 65 Jahren und 9 Monaten. Nach geltendem Recht steigt sie bis 2024 auf 66 Jahre und bis 2031 weiter auf 67 Jahre. Für das Jahr 2020 ergibt sich damit eine Zahl der Anteilseigner von rund 54,4 Millionen Personen, die bis 2035 auf rund 50 Millionen zurückgeht und nach 2060 auf unter 45 Millionen fällt.6
Im Basisjahr 2020 erhält der Fonds nach den hier geschilderten Regeln Zuführungen in Höhe von insgesamt 18,3 Milliarden Euro.7 Anschließend wächst er rasch an (vgl. Abbildung 2). 2030 erreicht das Fondsvermögen – unter Berücksichtigung von Erträgen, fälligen Schuldzinsen und zunächst noch eher geringen Auszahlungen – einen Gesamtwert von rund 190 Milliarden Euro, 2040 dann einen Wert von knapp 350 Milliarden Euro (alle Angaben in Preisen von 2020). Wegen des realen Wachstums des BIP und zunehmender Zinseszinseffekte beschleunigt sich das Wachstum in dieser Phase sogar noch. Ab 2050 verlangsamt es sich jedoch zusehends, weil die Auszahlungen an Anteilseigner, die die Regelaltersgrenze erreichen, immer mehr an Gewicht gewinnen. Gegen Ende des Projektionszeitraums geht das Vermögen des Fonds preisbereinigt auf 800 Milliarden Euro zu.8
Abbildung 2: Fondsvermögen und Schuldenstand (2020–2080)
Einen ähnlichen Verlauf zeigt auch der Schuldenstand, der durch die jährlichen Zuführungen entsteht – abzüglich der Tilgungen, die gleichfalls immer dann vorgenommen werden, wenn Anteilseigner das Rentenalter erreichen (vgl. erneut Abbildung 2). Aufgrund der Differenz zwischen den bei Anlage der Mittel des deutschen Bürgerfonds erzielbaren Renditen und fälligen Schuldzinsen ergibt sich im Zeitablauf allerdings ein wachsender Abstand zwischen dem Fondsvermögen einerseits und dem dafür aufgenommenen Schuldenstand. 2030 beträgt der erreichte Überschuss gut 18 Milliarden Euro und 2040 rund 62 Milliarden Euro (in Preisen von 2020). Nach 2070 steigt dieser Überschuss inflationsbereinigt auf über 220 Milliarden Euro und stabilisiert sich dann auf diesem Niveau. Diese Beträge stellen jeweils Kapitalreserven dar, die für zukünftige Auszahlungen an alle Anteilseigner zur Verfügung stehen – nicht nur im laufenden Jahr, sondern bis die zu diesem Zeitpunkt jüngsten Teilnehmer die Regelaltersgrenze erreichen.
Ein noch aussagekräftigeres Bild von der Entwicklung des Fondsvermögens und des dahinter stehenden Schuldenstands erhält man, wenn man die jeweiligen Werte in ein Verhältnis zum laufenden BIP setzt (vgl. Abbildung 3). Die Schuldenstandquote steigt ab 2020 zunächst 20 Jahre lang recht ungebrochen an. Danach flacht ihr Verlauf allerdings zusehends ab. Ab 2080 stabilisiert sie sich bei etwas unter 8 Prozent des BIP. Für das Fondsvermögen ergibt sich in dieser Perspektive ab 2020 fast 30 Jahre lang ein steiler Anstieg, der erst ab 2050 erkennbar nachlässt. Nach 2070 liegt das Vermögen dann ebenfalls recht konstant bei 11,3 Prozent des BIP. Als Überschuss des Fondsvermögens über den Schuldenstand ergeben sich auf Dauer somit Werte von rund 3,4 Prozent des jeweiligen BIP.
Abbildung 3: Fondsvermögen und Schuldenstand je BIP (2020–2080)
Für Personen, die bei Einführung des deutschen Bürgerfonds im Jahr 2020 zu den ältesten Anteilseignern zählen, führt die unterstellte Differenz zwischen Schuldzinsen und Fondserträgen bei baldiger Liquidierung ihrer Fondsanteile – mangels nennenswerter Zinseszinseffekte – zunächst nur zu sehr kleinen Kapitalauszahlungen. Verteilt man die Zuführung von 18,3 Milliarden Euro im ersten Jahr auf 54,4 Millionen Mitglieder, erhält jeder Anteilseigner einen Anlagebetrag von knapp 340 Euro, der im Extremfall schon im nächsten Jahr zurückgezahlt werden muss, verzinst mit 3 Prozent bei einem Ertrag von gut 5 Prozent. In den Folgejahren steigt der jährliche Anlagebetrag je Mitglied an. Er erreicht 2030 knapp 500 Euro, 2040 knapp 700 Euro und wächst nach 2050 auf über 1.000 Euro im Jahr an (alle Angaben in Preisen von 2020). Da diese Beträge später jeweils zurückgezahlt werden müssen, ergeben sich höhere Auszahlungsbeträge in erster Linie über eine längere Anlagedauer. Diese beträgt maximal 52 Jahre, wenn der Mitgliederkreis die Wohnbevölkerung im Alter von 15 bis unter 67 Jahren umfasst, und wird erst ab 2071/72 erreicht.
5Alternativ könnten die anfallenden Schuldzinsen auch kreditfinanziert und die Neuzuführungen zum Fonds im Gegenzug so begrenzt werden, dass die gesamte Neuverschuldung – wie für die Basisvariante unterstellt – immer nur 0,5 Prozent des BIP beträgt. Die finanzielle Entwicklung des Fonds und die Höhe der Auszahlungen an die Anteilseigner blieben davon völlig unberührt.
6 Für eine graphische Darstellung des Verlaufs der Zahl der Anteilseigner – auch im Vergleich zu abweichenden Zahlen für einige der Alternativvarianten – vgl. Abbildung 5 in Abschnitt 4.1; Zahlenangaben finden sich in Tabelle A.2 im Anhang dieser Studie.
7 Davon werden 108 Millionen Euro im Laufe des Jahres bereits wieder getilgt.
8 Überblicke über die finanzielle Entwicklung des Bürgerfonds für Basisvariante und alle Alternativvarianten geben Tabellen A.3 bis A.7 im Anhang dieser Studie.
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