Ifo-Studie
So könnte ein deutscher Bürgerfonds aussehen
Clemens Fuest. Der Präsiden des Ifo-Instituts hat zusammen mit Christa Hainz und Volker Meier vom Ifo-Institut sowie Martin Werding von der Ruhr-Universität Bochum ein Konzept für einen Bürgerfonds erarbeitet. Foto: Ifo
Um das Problem mangelhafter Altersvorsorge vieler Deutscher in den Griff zu bekommen, könnte ein Bürgerfonds eingerichtet werden. Wissenschaftler des Ifo-Instituts und der Ruhr-Universität Bochum um Ifo-Präsident Clemens Fuest legen konkrete Ideen vor.
Kapitalauszahlungen an Personen, die bis 2030 die Regelaltersgrenze erreichen, fallen daher noch fast vernachlässigbar gering aus. Sie erreichen in diesem Jahr gut 400 Euro, steigen bis 2040 dann auf gut 1.800 Euro und bis 2050 weiter auf rund 4.500 Euro (alle Angaben in Preisen von 2020).9
Wegen immer stärkerer Zinseszinseffekte ist der Anstieg in diesem Zeitraum exponentiell. Für 2071 ergibt sich erstmalig eine Kapitalauszahlung, die preisbereinigt 16.000 Euro übersteigt (vgl. Abbildung 4). Erst anschließend ist das System voll eingeführt. Die Auszahlungsbeträge erhöhen sich dann nur noch mit dem (realen) Wachstum der Anlagebeträge und den damit erzielten Erträgen. Alle diese Angaben...
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Kapitalauszahlungen an Personen, die bis 2030 die Regelaltersgrenze erreichen, fallen daher noch fast vernachlässigbar gering aus. Sie erreichen in diesem Jahr gut 400 Euro, steigen bis 2040 dann auf gut 1.800 Euro und bis 2050 weiter auf rund 4.500 Euro (alle Angaben in Preisen von 2020).9
Wegen immer stärkerer Zinseszinseffekte ist der Anstieg in diesem Zeitraum exponentiell. Für 2071 ergibt sich erstmalig eine Kapitalauszahlung, die preisbereinigt 16.000 Euro übersteigt (vgl. Abbildung 4). Erst anschließend ist das System voll eingeführt. Die Auszahlungsbeträge erhöhen sich dann nur noch mit dem (realen) Wachstum der Anlagebeträge und den damit erzielten Erträgen. Alle diese Angaben gelten für Anteilseigner, die die maximale Anlagedauer für ihren Geburtsjahrgang realisieren. Wenn individuelle Fondsanteile erst ab einer Zuwanderung im Alter über 15 Jahren erworben werden, können sich im Einzelfall geringere Effekte ergeben. Dasselbe gilt, wenn sie im Falle einer (temporären) Auswanderung ruhen, bei Erreichen der Regelaltersgrenze aber gleichwohl abgerufen werden können. Für die aggregierte Entwicklung des Fonds sind dagegen Zu- und Abwanderungen neutral.
Abbildung 4: Kapitalauszahlungen bei Eintritt ins Rentenalter (2020–2080)
Unter Umständen erscheint es zwar nicht als lohnend, geringe Kapitalauszahlungen, wie sie in der Frühphase des Fonds erreicht werden, in Renten umzuwandeln, die ab Erreichen der Regelaltersgrenze auf Lebenszeit gewährt werden. Die aus einer solchen Verrentung („Annuitisierung“) resultierenden Ansprüche geben aber eine zusätzliche Vorstellung von der Größenordnung der Effekte des Bürgerfonds. Bei der Ermittlung entsprechender jährlicher Renten wird hier unterstellt, dass sie auf einer aktuarisch fairen Umwandlung basieren. Die errechneten Beträge fallen daher tendenziell höher aus als im Falle einer Vornahme durch Finanzdienstleister, die solche Verrentungen von Kapitalbeträgen anbieten. Dies liegt nicht so sehr an der vereinfachenden Vernachlässigung von Verwaltungskosten. Wenn man die während der Rentenlaufzeit unterstellten Erträge auf das verbleibende Kapital von weiterhin 5,1 Prozent p.a. als Rendite nach Kosten interpretiert, sind solche Kosten durchaus erfasst. Die hier angestellten Berechnungen sind jedoch zugleich exakt auf die angenommene Lebenserwartung der Rentenbezieher zugeschnitten, die in der Realität ex ante unbekannt ist. Verrentungen werden daher zumeist auf Basis von Sterbetafeln vorgenommen, die einen gewissen Risikopuffer für unerwartet hohe Lebenserwartungen enthalten. Dies muss von den Rentenbeziehern als Risikoprämie für die Verlagerung des Langlebigkeitsrisikos gegebenenfalls akzeptiert werden. Um Verwaltungskosten und Risikoprämie klein zu halten, könnte sich prinzipiell der deutsche Bürgerfonds selbst der Verrentungen annehmen. Dies wird hier jedoch nicht unterstellt. Vielmehr wird die Verrentung als freiwillig erachtet, und die Berechnungen zu ihren Effekten haben rein illustrativen Charakter.
Jahresrenten, die aus aktuarisch fairen Verrentungen der vom Bürgerfonds ausgeschütteten Kapitalbeträge resultieren, können im Prinzip auch inflationsindexiert oder auf andere Weise dynamisiert werden. Bestimmt werden hier jedoch Renten, die für Mitglieder jedes Geburtsjahrgangs während der gesamten Rentenlaufzeit nominal konstant bleiben. Angegeben werden daher Renten, die sich in dem Jahr ergeben, in dem die Mitglieder die Regelaltersgrenze erreichen. Angesichts der zugrunde liegenden Kapitalauszahlungen und auch wegen der verbleibenden, im Projektionszeitraum annahmegemäß weiter steigenden Lebenserwartung fallen die errechneten Jahresrenten nach der Einführung des Fonds geraume Zeit sehr gering aus. Sie wachsen von Jahrgang zu Jahrgang aber ebenfalls lange Zeit exponentiell an. Für Personen, die das Rentenalter im Jahr 2030 (Jahrgang 1962/63) erreichen, betragen sie nur etwa 25 Euro, im Jahr 2040 (Jahrgang 1973) ergeben sich gut 120 Euro und 2050 (Jahrgang 1983) rund 300 Euro (alle Angaben in Preisen von 2020).
Mitglieder des Jahrgangs 2005, die die Regelaltersgrenze 2072 – erstmalig nach maximaler Anlagefrist – erreichen, erhalten nach aktuarisch fairer Annuitisierung ihrer Kapitalauszahlung dagegen eine jährliche Rente, die sich preisbereinigt auf knapp 1.270 Euro beläuft; dies entspricht 6,9 Prozent des nach Liquidierung der Fondsanteile ausgezahlten Kapitalbetrages bzw. einer Monatsrente von 105 Euro (in Preisen von 2020). Es erreicht damit die Größenordnung einer typischen Zusatzrente aus betrieblicher oder privater Vorsorge, die in der Erwerbsphase nicht jahrzehntelang, sondern nur phasenweise bedient wurde, im Alter aber einen willkommenen Beitrag zur Sicherung des Lebensstandards leistet. Zudem sind die Kapitalauszahlungen und die daraus erreichbaren Rentenbeträge vom sonstigen Einkommen der Bezieher völlig unabhängig. Für Personen, die wegen fragmentierter Erwerbsbiographien oder niedriger Löhne nur geringe Ansprüche auf gesetzliche Renten oder aus anderen Vorsorgesystemen erworben haben und daher von Altersarmut bedroht sind, können Beträge der hier ermittelten Größenordnung eine unverzichtbare Komponente ihrer Alterssicherung darstellen.
9 Falls Anteilseigner vor Erreichen der Regelaltersgrenze sterben, wird in den Berechnungen eine versicherungstechnische Vererbung aller ihrer bis dahin angesammelten Fondsanteile an andere Anteilseigner aus dem gleichen Geburtsjahrgang unterstellt. Das gleiche gilt für ihre Anteile an der zur Finanzierung des Fonds aufgenommenen Verschuldung und damit auch für die im Erlebensfall auszuzahlenden Überschüsse.
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