Natixis-Strategin Esty Dwek
Das Regulierungsrisiko schlägt zu

Natixis-Strategin Esty Dwek
Die Kurse mancher großer chinesischer Internet- und Softwareunternehmen sind in den vergangenen Wochen deutlich nach unten gegangen. So etwa die Aktie von Tencent. Gegenüber ihrem Höchststand im Februar dieses Jahres büßte die Aktie bisher fast die Hälfte an Wert ein. Dieser rasante Kursverfall hat nach allgemeiner Lesart im Wesentlichen allerdings keine fundamentalen Gründe.
Auslöser ist vielme...
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Die Kurse mancher großer chinesischer Internet- und Softwareunternehmen sind in den vergangenen Wochen deutlich nach unten gegangen. So etwa die Aktie von Tencent. Gegenüber ihrem Höchststand im Februar dieses Jahres büßte die Aktie bisher fast die Hälfte an Wert ein. Dieser rasante Kursverfall hat nach allgemeiner Lesart im Wesentlichen allerdings keine fundamentalen Gründe.
Auslöser ist vielmehr die Materialisierung von regulatorischen Risiken oder genauer gesagt, das Vorhaben der chinesischen Staatsführung, den Tech-Sektor stärker an die Kandare nehmen zu wollen. Was genau Peking plant, ist im Detail noch nicht bekannt. Vieles ist möglich. Einen Vorgeschmack gab die KP bereits Ende des vergangenen Jahres. Im November wurde der als bisher größter Börsengang angedachte und bereits angelaufene IPO der ANT Financial Group abgebrochen. Firmengründer Jack Ma verschwand stattdessen für Monate von der Bildfläche.
Angesichts des anhaltenden regulatorischen Drucks der KP, der sich zudem auf immer mehr Sektoren in China auszuwirken scheint, fragen sich die Anleger nun: wie verlässlich sind Investitionen in chinesische Unternehmen? Diese Frage erhält auch vor dem Hintergrund einer anderen Entwicklung Bedeutung. Gemeint ist der Kampf der beiden Supermächte China und USA um die globale Vormachtstellung. Denn dieser Kampf wird unter anderem auch auf den Kapitalmärkten mehr oder weniger offen ausgetragen. Seit einigen Jahren schon gibt es unter der Oberfläche immer wieder Bestrebungen, den Kapitaltransfer zwischen den beiden Supermächten zu regulieren.
Sowohl von Seiten der US-Aufsichtsbehörde SEC sowie in Kreisen der US-Regierung werden Vorschläge diskutiert, die Notierung chinesischer Aktien an US-Börsen zu begrenzen, chinesische Beteiligungen an 401k-Altersvorsorgekonten zu verhindern und chinesische Börsengänge noch strenger zu prüfen. Und auch China verfolgt seine geopolitischen Interessen an den Kapitalmärkten.
Die Staatsführung möchte einerseits vermeiden, dass die großen, erfolgreichen und aus strategischer Sicht wichtigen Unternehmen zu viel Kapital außerhalb des Landes leiten. Und sie will ganz sicher nicht, dass Unternehmen, welche zuhause die lokalen Regeln und Richtlinien missachten, in die USA ausweichen, um sich dort ungestört und besser weiterentwickeln zu können.
China muss in einigen Bereichen gegensteuern
Für das jüngste Vorgehen der chinesischen Führung gibt es eine Reihe verschiedener Gründe. Erstens, geht es um den Schutz der Souveränität des Staates gegenüber privaten und oftmals gigantisch großen Unternehmen. Deren Macht hat zuletzt beständig zugenommen, so dass Peking sich veranlasst sieht zu zeigen, wer Herr im Haus ist. Zweitens, steckt hinter den Maßnahmen auch die Überzeugung, dass Fehler im Kartellrecht korrigiert werden müssen, um den chinesischen Weg der Marktwirtschaft zu sichern. Drittens, erfordert das Voranschreiten neuer Sektoren eine zusätzliche Regulierung.
Und last but not least dienen die Maßnahmen dem Ziel, die zunehmende Ungleichheit im Lande zu bekämpfen. Für Peking ist die fortschreitende Ausdifferenzierung der Gesellschaft, die in unterschiedlichem Maße am wirtschaftlichen Wohlstand partizipiert, zu einem immer größeren Problem geworden, das es auch in Abgrenzung zu den kapitalistischen Verhältnissen im Westen anzugehen gilt.
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