Kundennutzen Das schreibt Bafin Lebensversicherern in ihrem Merkblatt vor
„Schon in wenigen Wochen wollen wir unser finales Merkblatt zum Wohlverhalten der Lebensversicherer veröffentlichen,“ erklärte Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht bei der Bafin, am vergangenen Mittwoch. Nun ist es soweit. Am gestrigen Montag hat die Finanzaufsicht ihr „Merkblatt zu kapitalbildenden Lebensversicherungen“ veröffentlicht.
Man wolle „sicherstellen, dass kapitalbildende Lebensversicherungen Kunden einen angemessenen Nutzen bieten und Interessenkonflikte beim Vertrieb dieser Produkte vermieden werden“, heißt es von der Bafin. Künftig müssen die „Hersteller“, also die Lebensversicherer, ihr „Produkt“ definieren, seinen Zielmarkt bestimmen und den „angemessenen „Kundennutzen“ im Hinblick auf die Bedürfnisse der Angehörigen des Zielmarkts prüfen“.
Rendite, Rente, Rückvergütung
Doch was bedeutet das konkret? Die Versicherer müssen nun die Art und Weise der Prämienkalkulation sowie der Überschussbeteiligung prüfen und aufzeigen, inwiefern die Kunden nach Abzug aller Kosten eine angemessene Rendite erwarten können. Bei Fondspolicen müssen die Anbieter darüber hinaus Informationen zum Anlageuniversum liefern, aus dem der Versicherungsnehmer seine Fonds wählen kann. Auch die Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an den Lebensversicherer und dessen Vertriebspartner werden künftig unter die Lupe genommen.
Auch die Rente, die der Versicherte nach der Ansparphase voraussichtlich bekommen wird, muss künftig geprüft werden. Dabei fordert die Bafin, dass das Verhältnis zwischen dem am Ende der Ansparphase zur Verfügung stehenden Kapital und den vom Kunden voraussichtlich bezogenen Rentenleistungen stimmt.
Bietet ein Versicherer biometrische Absicherungen, etwa eine Berufsunfähigkeitsversicherung, als Teil der Hauptversicherung an, muss er auch diese gesondert auf ihren Kundennutzen prüfen.
So definiert Bafin „Kundennutzen“
Doch was versteht die Bafin unter „Kundennutzen“? Der Behörde geht es in erster Linie um das Zusammenspiel von Kosten und Rendite (vor Kosten). „Aus Sicht des Versicherungsnehmers ist das Risiko einer unzureichenden oder gar negativen Rendite bei im Übrigen gleichen Rahmenbedingungen umso höher, je höher die Kosten sind“, schreibt die Behörde.
Aber wie hoch dürfen die Kosten sein, damit sich die Police für den Sparer noch lohnt? Konkrete Obergrenzen sowie ein konkretes Verhältnis zwischen Kosten und erwarteter Rendite, schreibt die Bafin, wie bereits im Vorfeld angekündigt, zwar nicht vor. Vielmehr sollten die Versicherer den Zielmarkt bestimmen und den Kundennutzen anhand der üblichen Erträge dieses Zielmarktes prüfen. Dabei sollen sie auch externe Einflussfaktoren, wie etwa steuerliche Rahmenbedingungen, berücksichtigen.
Die Renditeerwartungen unterscheiden sich je nach Zielmarkt. Kunden, die chancenorientiert anlegen und dabei größere Risiken eingehen, wollen dafür durch höhere Erträge belohnt werden. Die Lebensversicherer sollen gemäß Bafin-Merkblatt nun für jedes Produkt Renditeziele formulieren, „die im Einklang mit den Erwartungen des von ihnen bestimmten Zielmarktes stehen“.
Hallo, Herr Kaiser!
Inflation beachten
Streben die Angehörigen des Zielmarktes nicht nur eine positive Rendite nach Kosten, sondern auch eine positive Rendite nach Kosten und Inflation an, müssen Produktgeber auch die Inflationserwartung bei ihren Prognosen berücksichtigen. Dafür können sie sich am mittelfristigen Inflationsziel der Europäischen Zentralbank orientieren, rät die Finanzaufsicht.
„Ein angemessener Kundennutzen setzt voraus, dass das formulierte Renditeziel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht wird“, beteuert die Bafin in ihrem Merkblatt. Produktgeber sollten dies mit geeigneten stochastischen Analysen prüfen.
Allerdings steht nicht bei allen Versicherungsnehmern die Rendite im Vordergrund. Darauf weist auch die Bafin hin. Bei Produkten für sicherheitsorientierte Kunden könnten sich Produktgeber stattdessen auf die Garantien konzentrieren und die Renditeberechnung hintanstellen.
So sollten Lebensversicherer die Kosten berechnen
Zur Berechnung der Kosten einer Kapitallebensversicherung schlägt die Bafin die Effektivkosten vor. Diese sollen ins Verhältnis zu erwarteten Renditen gestellt werden. Da diese bei Produkten wie Fondspolicen sehr stark variieren können, sollen Versicherer mehrere „Renditeszenarien“ entwickeln. „Es ist sicherzustellen, dass das formulierte Renditeziel nicht nur in optimistischen Szenarien, sondern auch bei einer weniger günstigen Marktentwicklung erreicht wird“, mahnt die Bafin.
Stornos berücksichtigen
Und wie sieht es mit Verträgen aus, die vorzeitig gekündigt werden? Zuvor ließ die Bafin durchsickern, sich nur auf die Vorsorgeverträge zu konzentrieren, die der Kunde bis zum vereinbarten Ende durchhält. Nun will die Finanzaufsicht auch die Stornos berücksichtigt wissen.
„Ist für den Zielmarkt eines Produktes damit zu rechnen, dass ein wesentlicher Anteil der Angehörigen des Zielmarkts seine Verträge vor dem Ende der Ansparphase beendet, so ist das bei der Prüfung des Kundennutzens des Produkts für den Zielmarkt zu berücksichtigen“, heißt es im Merkblatt. Dann müssten die Anbieter bei ihrer Szenarioanalysen auch Stornoerwartungen betrachten. Sie müssten prüfen wann ein wesentlicher Anteil der Zielkunden ihren Vertrag voraussichtlich vorzeitig beenden wird und sicherstellen, dass auch solche Kunden eine angemessene Rendite erhalten. „Bei vorzeitiger Beendigung gegen Ende der Ansparphase sollte stets ein angemessener Kundennutzen erreicht sein“, so die Bafin.
Hintergrund
Die Bafin hatte kurzzeitig mit dem Gedanken gespielt, die Provisionen zu begrenzen. In ihrer Jahrespressekonferenz im Mai 2022 stellte die Finanzaufsicht ihre Provisionsrichtwert-Pläne vor. Nach massiver Kritik seitens mehrerer Vermittlerverbände kippte sie diese Pläne jedoch im Oktober wieder. In ihrem Entwurf für das „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ erklärte die Behörde kurz darauf, Provisionen lediglich bei Ausreißern überprüfen zu wollen.