Hermann Weinmann, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Ludwigshafen, hat in seiner Studie „Was machen die Lebensversicherer mit dem Geld ihrer Kunden?“ erneut die wirtschaftliche Situation der 16 größten deutschen Lebensversicherer analysiert.

Die Studie ist in zwei Hauptbereiche unterteilt: einen betriebswirtschaftlichen Teil und eine Betrachtung der Verbraucherinteressen. Der betriebswirtschaftliche Teil umfasst fünf Kernelemente –Ertragsrealisation, Netto-Neuzugang, Betriebs- und Verwaltungskosten, Bewertungsreserven und Verlustreserve – die jeweils mit bis zu 200 Punkten bewertet werden.

Bei der Analyse der Verbraucherbelange wurden darüber hinaus die Solvenzquote sowie die Partizipationsquote berücksichtigt. Unter „Partizipation“ versteht man den Anteil, den die Versicherungsnehmer an den erwirtschafteten Überschüssen und Gewinnen des Versicherungsunternehmens erhalten.

Zwei Versicherer "mangelhaft"

Die Bewertungen erfolgen anhand der Schulnoten von 1 („sehr gut“) bis 5 („mangelhaft“). In der betriebswirtschaftlichen Analyse schneiden zwei Versicherer „sehr gut“ (1), zwei weitere „gut“ (2) ab. Die Note 3 wurde achtmal vergeben. Die restlichen vier Gesellschaften erhielten die Note 4.

Bei der Verbraucheranalyse unterdessen schöpfte Weinmann die gesamte Bandbreite des Notensystems aus: Zwei Unternehmen erhielten die Note „mangelhaft“ (5).

Welche vier Versicherer „gut“ oder „sehr gut“ abschneiden, erfahren Sie in unserer Bildstrecke.

Kosten von über 4 Prozent

Im Prolog zu seiner Studie deckt Weinmann unterdessen mehrere Missstände der Branche auf. Ein zentraler Kritikpunkt sind dabei die hohen Kosten vieler Lebensversicherungsprodukte. Bei einigen Anbietern liegen die Effektivkosten laut Studie bei über 4 Prozent pro Jahr. Das bedeutet, dass die Versicherungsgesellschaften jährlich mehr als 4 Prozent des angelegten Kapitals für Verwaltung, Vertrieb und andere Aufwendungen abziehen, bevor überhaupt eine Rendite für den Kunden erwirtschaftet wird.

„Deutlich unter minus vier Prozent ist der Startpunkt für den Kunden. Der Aktienmarkt soll dann richten, was in den Taschen anderer zuvor verschwand“, moniert Weinmann. Denn auf dem seriösen Anleihemarkt seien solche Erträge nicht zu erwirtschaften. „Gefühlt sind aber schon minus drei Prozent auf der Startrampe zu viel“, sagt der Versicherungsexperte.

 

70 Prozent der Fondspolicen vorzeitig gekündigt

Einen Teil der Verantwortung für die Missstände sieht Weinmann bei der Finanzaufsicht Bafin und der „nachlassende Prinzipienfestigkeit der staatlichen Regulierung“. Der Wirtschaftsprofessor spricht von einer „Reparaturaufsicht", die oft zu spät eingreifen würde. Besonders problematisch erscheint dem Autor der Wechsel von Führungskräften zwischen Versicherungsunternehmen und Aufsichtsbehörde, da dies die Unabhängigkeit und Effektivität der Aufsicht beeinträchtigen könnte.

Darüber hinaus kritisiert Weinmann die hohe Stornoquoten bei Fondspolicen: Er rechnet damit, dass in der fondsgebundenen Lebensversicherung nach 40 Vertragsjahren mehr als 70 Prozent der Verträge vorzeitig gekündigt werden.

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