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„Das wäre pervertierter Verbraucherschutz“

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Produkte und Beratung könnten teurer werden

Geschieht dies nicht, so wird zwar viel Geld für die Jagd nach Punkten ausgegeben, es erhöhen sich aber nur die Kosten auf Seiten der Vertriebe und Versicherungen. Werden diese Kosten dann auf den Kunden ganz oder teilweise abgewälzt, entsteht aus gut gemeintem Qualitätsanspruch eine negative Wirkung für den Kunden. Die Produkte und Beratungen werden nämlich tendenziell teurer. Das wäre dann ein pervertierter Verbraucherschutz.

Wo wir gerade über Verbraucherschutz reden: Interessant ist hier, wie der Verbraucherschutz auf diese Initiative reagieren wird. Wird er sich einem ähnlichen Qualitätsstandard unterziehen oder verliert er hier weiter an „Qualitäts-Boden“? Sofern der Verbraucherschutz auf eine ständige Qualifikation auf gleichem Niveau verzichtet, würde das einen Missbrauch des Vertrauensvorschusses darstellen, den Verbraucherschützer bei Verbrauchern genießen.

Kann der Kunde unterscheiden?

Eine Frage die sich damit verbindet: Wird der Kunde überhaupt unterscheiden können, wer sich regelmäßig weiterbildet und demzufolge zertifiziert ist und wer nicht? Einen Nachweis wird es ja schon nach einem Jahr für teilnehmende Vermittler geben können. Sofern die Vermittler mit diesem Nachweis arbeiten, werden Kunden perspektivisch Vermittler mit laufender Qualifikation von denen ohne laufende Qualifikation durchaus unterscheiden können.

Eigentlich lautet die Selbstverpflichtung der Versicherungsunternehmen, dass wirklich jeder Vermittler sich zwingend weiterbilden soll. Damit müsste auch wirklich jeder Vertriebskanal einbezogen werden. Schwierig ist aber, dass insgesamt einige Vertriebswege überhaupt nicht im Fokus der Initiative lagen. Da hier der gesetzliche Zwang fehlt und die Pflicht zur Weiterbildung nur eine Selbstverpflichtung der Versicherungsunternehmen ist, bleiben Wirkung und Einfluss auf andere Vertriebskanäle noch unklar.

150.000 Vermittler werden teilnehmen, so Schätzungen

So rechnet die Branche selbst damit, dass innerhalb von drei bis vier Jahren 150.000 Vermittler an dem Programm teilnehmen. Wo sind die übrigen 100.000 registrierten Vermittler? Wo sind die angestellten Vermittler? Wo sind die ganzen Bankkaufleute, die zum überwiegenden Teil auch Versicherungsprodukte vermitteln?

Wenn die Versicherungen ihr Ansinnen ernst meinen, müssten in den nächsten fünf Jahren deutlich mehr als 250.000 Vermittler an dem Programm teilnehmen oder ihre laufende Qualifikation anderweitig nachweisen. Neben den rund 250.000 Vermittlern ist mit zirka mindestens 170.000 Beratern bei den Banken zu rechnen (so viele Wertpapierberater sind inzwischen bei der Bafin gemeldet und Wertpapierberater vermitteln fast alle auch Lebensversicherungen).

Lassen die Versicherungen auch Taten folgen?

Insgesamt bleibt es aber spannend, ob die Versicherungsunternehmen ihren Worten nun Taten folgen lassen. Denn es hängt an diesen, ob sie mit Personen weiterhin zusammenarbeiten werden, die einer ständigen Weiterbildungsverpflichtung nicht nachkommen.

Für den Erfolg der Initiative ist von großer Bedeutung, inwieweit ein „Weiterbildungskonto“ zu einem Qualitätsausweis gegenüber Kunden wird und somit zum Wettbewerbsvorteil. Werden Kunden dieses System kennen und darauf reagieren? Sofern dieses Ziel erreicht wird entsteht ein Sog für Vertriebsorganisationen, die ansonsten versuchen würden, sich der Qualifikation zu entziehen. Ob dieser Sog entsteht hängt unter anderem von der PR-Arbeit ab, die die Versicherungsbranche leisten wird.

Dabei ist es im Moment sicher ratsam, sich mit der Öffentlichkeitsarbeit bei Endkunden zurückzuhalten bis finale Fakten präsentiert werden können und für eine eventuell kritische Presse auch Antworten auf Detailfragen lieferbar sind. Aber große Projekte benötigen auch zwingend einige Vorlaufzeit.

Was ist für die Praxis zu beachten:

Makler und Vertriebe sollten derzeit die Entwicklung beobachten und sich laufend informieren – aber nicht nervös werden. Erst bei einer ausreichenden Anzahl an Bildungsangeboten sollten entsprechende Aktivitäten initiiert werden. Dann beginnt vor der Qualifikation die Analyse des Bildungsbedarfs. Hier besteht noch Nachholbedarf.

Einer der bedeutendsten Punkte zum Schluss: Wichtig ist es, möglichst jeden einzelnen Berater emotional mitzunehmen, denn nur wenn die Vermittler gegenüber ihren Kunden das System überzeugt positiv kommunizieren, kann ein neues Vertrauensfundament zwischen den Endkunden und den Vermittlern entstehen und das ist eines der Hauptziele der Initiative.

Wird die Initiative also von den Initiatoren –den Versicherungsunternehmen – ernst genommen und die operative Umsetzung unterstützt, dann könnten wir uns in der Branche an einem neuen Meilenstein befinden. Bleibt es bei Lippenbekenntnissen, so werden eher Schaden, Kosten und Bürokratie erzeugt und Vertrauen weiter verspielt.

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