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Aktualisiert am 27.01.2020 - 15:54 Uhrin MärkteLesedauer: 4 Minuten

„Dass Aktien nichts bringen, ist eine unfaire Behauptung“

Dennis Nacken, Allianz Global Investors
Dennis Nacken, Allianz Global Investors

DAS INVESTMENT.com: Herr Nacken, eine private Frage zuerst. Haben Sie schon kräftig Aktien gekauft? Dennis Nacken: Sagen wir mal so: Ich habe wegen der Abgeltungssteuer schon Ende letzten Jahres mein Depot wetterfest gemacht. Dabei habe ich auch Aktienpositionen aufgestockt. DAS INVESTMENT.com: Andere Analysten sind nicht so optimistisch wie Sie. Nacken: Richtig, einige haben den Aktienmarkt sogar für tot erklärt. DAS INVESTMENT.com: Ist er es nicht? Nacken: Nein, im Gegenteil. Totgesagte leben länger. So lange es langfristig Wachstum gibt, so lange gibt es Unternehmensgewinne und so lange sind Aktien eine interessante Investition. DAS INVESTMENT.com: In den vergangenen zehn Jahren war per saldo nichts am Aktienmarkt zu verdienen. Was soll daran lebendig sein? Nacken: Diese auf nur einen Zeitraum fokussierte Betrachtung ist nicht ganz sauber. Immerhin fallen zwei der schwersten Aktienkrisen der vergangenen Jahrzehnte in diese zehn Jahre. Einen Verlust von 40 Prozent wie im vergangenen Jahr gab es zuletzt in den Dreißiger Jahren. Und nun auf einem extrem tiefen Stand zu behaupten, Aktien bringen nichts, ist nicht fair. DAS INVESTMENT.com: Was wäre denn fair? Nacken: Wir haben einen Zeitraum von 40 Jahren in rollierende Abschnitte von jeweils zehn Jahren unterteilt und dafür die Renditen untersucht. Dabei ist festzustellen, dass jeweils für die Zehnjahreszeiträume am europäischen Aktienmarkt im Durchschnitt eine Rendite von 11 Prozent im Jahr erzielbar war. DAS INVESTMENT.com: Auch in Zeiten wie diesen? Nacken: Gerade wie in diesen. Die Risikoprämie wird in der Baisse verdient, also in Abschwüngen wie jetzt einer passiert. Ich meine damit nicht, dass sich jetzt jeder sofort das Depot mit Aktien füllen soll. Die persönliche Risikoneigung steht nach wie vor im Vordergrund. DAS INVESTMENT.com: Klingt aber so, als wär’s das gewesen mit dem Crash. Nacken: Ich bin nicht sicher, ob wir den Tiefststand schon gesehen haben, oder ob noch weitere Rückschläge kommen. Ich weiß nur, dass mit dem Kursrückgang um 40 Prozent in einem Jahr eine Menge schlechter Nachrichten und Ängste eingepreist sind. Das Abfischen der tiefsten Kurse ist bisher den wenigsten geglückt. Daher mein Tipp: Warum nicht das ganze Jahr fischen gehen und schrittweise investieren? Das kann über Fondslösungen passieren, die das automatisch machen, oder aber über Investmentpläne oder individuelle Teilkäufe. DAS INVESTMENT.com: Was macht Sie so sicher, dass wir nicht doch noch ein weiteres Mal um die Hälfte abschmieren? Nacken: Ich mache das an den Fundamentaldaten fest. Die Aufräumarbeiten im Finanzsektor finden schon seit längerem statt und es wurden weltweit über 2 Billionen US-Dollar an Konjunkturpaketen geschnürt. Gemessen an den Bewertungen scheinen Gewinnrückgänge von 40 bis 50 Prozent bereits eingepreist. DAS INVESTMENT.com: Und wenn es keine Gewinne mehr gibt? Liegt nicht eine dramatische Wirtschaftskrise vor uns? Nacken: Unternehmen erleiden derzeit in der Tat eine Durststrecke. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass wir das Tief bei den Gewinnen bald erreicht haben könnten. Bei den Unternehmenszahlen für das erste Quartal könnte es zwar noch etwas holprig werden. Im zweiten Quartal sollten aber schon die Maßnahmenpakete der Notenbanken und Staatsregierungen greifen. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen seit Oktober weniger produzieren und somit die Lagerbestände abbauen. Dieser Lagerabbauzyklus sollte bald abgeschlossen sein, dann muss wieder mehr hergestellt werden. Denn konsumiert und investiert wird selbst in der tiefsten Krise. DAS INVESTMENT.com: Okay. Es wird also weiter Gewinne geben. Die könnten aber so stark einbrechen, dass die Aktien plötzlich doch noch verhältnismäßig teuer sind. Nacken: Aufgrund der Tatsache, dass man den derzeitigen Gewinnschätzungen der Analysten wenig vertrauen kann, da diese immer noch weiter nach unten revidiert werden, haben wir unter anderem die Unternehmensgewinne der vergangenen zehn Jahre als Bewertungsmaßstab herangezogen, also die Betrachtung über einen gesamten Konjunkturzyklus. Auf dieser Basis notieren die Aktien aus dem S&P 500 Index bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 13 und damit fast ein Viertel unter ihrem Durchschnitt. In Europa sind Aktien sogar halb so teuer wie im längerfristigen Durchschnitt. Hier scheinen also Gewinneinbrüche von bis zu 50 Prozent eingepreist. DAS INVESTMENT.com: Stehen Aktien auf Ihrer Empfehlungsliste eigentlich ganz oben? Nacken: Noch optimistischer sind wir für Unternehmensanleihen. Hier bekommen Anleger beispielsweise in Europa Risikoaufschläge im Schnitt von über 3 Prozentpunkten im Vergleich zu risikofreien Staatsanleihen. DAS INVESTMENT.com: Wenn es sie denn gibt. Ist nicht zu erwarten, dass demnächst eine Menge Firmen ihre Schulden nicht mehr bedienen können? Nacken: Einige schon. Allerdings unterstellen die aktuellen Risikoaufschläge, dass in den kommenden fünf Jahren jedes dritte Unternehmen zahlungsunfähig wird. Doch selbst in den verheerenden dreißiger Jahren lag die höchste Ausfallquote für einen Fünfjahreszeitraum mit 23 Prozent deutlich niedriger. DAS INVESTMENT.com: Aber an einem kräftigen Aufwärtstrend am Aktienmarkt verdiene ich mehr als mit Unternehmensanleihen. Nacken: Richtig. Aber hüten Sie sich vor solchen gierigen Gedanken. Sie sollten Ihr Vermögen gut streuen, das schließt also Aktien und Unternehmensanleihen zu angemessenen Anteilen mit ein. Das gilt für jede Marktphase, aber in der aktuellen ganz besonders. DAS INVESTMENT.com: Beim Thema Streuung kommen wir zur abschließenden Gretchen-Frage: Gold oder nicht Gold? Nacken: Ich halte wenig von Gold. Ich verstehe zwar, dass viele Anleger Gold als Sicherung gegen den Weltuntergang verwenden. Aber Gold ist nun mal alles andere als sicher und wirft keine Zinsen ab. Wenn es schon ein zeitloser Substanzwert sein soll, würde ich meinem Portfolio lieber etwas Agrarland beimischen als einen Goldbarren.

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