Anleiheexperte Jack Holmes
Dauerbrenner Inflation
Jack Holmes ist Anleiheexperte bei der Fondsgesellschaft Artemis Investment Management. Foto: Artemis Investment Management
Wie steuern Notenbanken die Inflation? Und welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trends beeinflussen die Preise? Anleiheexperte Jack Holmes von der Investmentgesellschaft Artemis Investment Management gibt Einblicke in die Geldpolitik.
Vergleicht man den Einbruch und Wiederanstieg des Handelsvolumens seit Ende 2019 mit der Entwicklung zu den Zeiten der Finanzkrise, ergibt sich ein ermutigendes Bild. So dauerte es nach der globalen Finanzkrise 20 Monate, bis das Welthandelsvolumen wieder das Niveau vom August 2008 erreicht hatte (siehe nachfolgende Graphik). In der Coronakrise jedoch kam es bereits nach etwa fünf Monaten zu einer Erholung. Die Auflösung der weltwirtschaftlichen Verflechtungen ist möglicherweise eher ein Thema akademischer Debatten und weniger die praktische Realität.
In der aktuellen Krise hat sich der weltweite Warenhandel sehr viel schneller erholt als zur Zeit der Finanzkrise
Es...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Vergleicht man den Einbruch und Wiederanstieg des Handelsvolumens seit Ende 2019 mit der Entwicklung zu den Zeiten der Finanzkrise, ergibt sich ein ermutigendes Bild. So dauerte es nach der globalen Finanzkrise 20 Monate, bis das Welthandelsvolumen wieder das Niveau vom August 2008 erreicht hatte (siehe nachfolgende Graphik). In der Coronakrise jedoch kam es bereits nach etwa fünf Monaten zu einer Erholung. Die Auflösung der weltwirtschaftlichen Verflechtungen ist möglicherweise eher ein Thema akademischer Debatten und weniger die praktische Realität.
In der aktuellen Krise hat sich der weltweite Warenhandel sehr viel schneller erholt als zur Zeit der Finanzkrise
Es ist unbestreitbar, dass der Vormarsch der Globalisierung nun nach langer Zeit unterbrochen wurde und dass vielleicht sogar eine gewisse Rückentwicklung einsetzen könnte. Richtig ist auch, dass Nationalismus tendenziell zu einer Fokussierung auf die heimische Wirtschaft führt und somit inflationsverstärkend wirkt. Dennoch sollte die Fähigkeit politischer Bewegungen, globalen Trends zu trotzen, nicht überschätzt werden. Kommt es zu einer Deglobalisierung, wird diese wahrscheinlich in ihrem Ausmaß begrenzt sein und langsam verlaufen. Politische Rhetorik und wirtschaftliche Realität dürften dabei im Widerspruch zueinander stehen.
Veränderungen in der Ausgestaltung des wirtschaftspolitischen Instrumentariums, insbesondere eine expansivere Fiskalpolitik als Ergänzung zur Geldpolitik, sowie das Wiederaufleben des Dienstleistungssektors und positive Basiseffekte aus dem Frühjahr 2020 die sich nun bei der Erholung der Energiepreise bemerkbar machen, schaffen in jedem Fall kurzfristig ein günstiges Umfeld für die Inflation.
Verstärkend dürfte darüber hinaus die Veränderung der Reaktionsfunktion der Zentralbanken wirken. In ihrem „Statement of Long Term Goals“ betont die US-Notenbank unter Jerome Powell, dass sie eine reaktive Inflationsstrategie verfolgen wird, und wendet sich damit von Janet Yellens proaktivem Ansatz ab. Die Inflationsrisikoaufschläge müssten dann steigen.
Wir erinnern jedoch an die Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre und sind der Ansicht, dass es weiterer positiver Impulse der Fiskalpolitik bedarf, um ein dauerhaftes Unterschreiten des Inflationsziels zu verhindern. Dies gilt jetzt, da das Instrumentarium der Geldpolitik nahezu ausgeschöpft ist, umso mehr. Strukturelle Faktoren, die einer Disinflation Vorschub leisten, wie etwa der technologische Wandel, haben auch in Zukunft Bestand.
Einige wirken mittlerweile sogar noch stärker oder schneller. Letztendlich sind wir gerade Zeugen einer industriellen Revolution mit Disinflation, die die globale Wirtschaft erfasst hat. Anleger sollten daher Inflationsnarrative in der kurzen Frist beachten, dabei jedoch unbedingt auch das reale Risiko – Disinflation in einer überschuldeten Welt – im Auge behalten.
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