Anlageprofi über schlechte Börsenkurse Warum der Dax trotz guter Firmengewinne schwächelt
Die Quartalsberichtsaison in den USA hat gerade erst begonnen und die bisher vermeldeten Unternehmensergebnisse sind alles andere als enttäuschend. Die bisherigen Berichterstattungen der Dax-Unternehmen im Jahreserlauf 2022 waren überwiegend nicht so schlecht wie die Börsenstimmung es hätten erwarten lassen. Insbesondere Unternehmen, die in der Lage sind, inflationsbedingte Preissteigerungen an Kunden weiterzuleiten und über eine entsprechende Preissetzungsmacht verfügen, konnten sogar positiv überraschen.
Die grundsätzlichen konjunkturellen Erwartungen an die kommenden Quartale und das Sentiment der Marktteilnehmer belasten jedoch sämtliche Aktienbewertungen. Dies überschattet auch positive Berichte einzelner Unternehmen und nimmt sie in Sippenhaft fallender Kurse.
Die Börse handelt und antizipiert die Zukunft, nicht die Vergangenheit
Da die Börse wirtschaftliche Entwicklungen jedoch mit einer Frist von etwa sechs Monaten vorwegnimmt beziehungsweise antizipiert, spielen die aktuellen Unternehmensmeldungen nur eine zu vernachlässigende Rolle. Die aktuell vermeldeten Berichte betreffen das dritte Quartal 2022 und somit die Vergangenheit. Nichts ist für die Börse langweiliger als das, was bereits vergangen ist.
Entscheidend für die weiteren Aktien- und Indexentwicklungen sind die wirtschaftlichen Entwicklungen, die in den kommenden Quartalen und dem Jahr 2023 zu erwarten sind. Aufgrund der aktuellen Gegebenheiten ist es nachvollziehbar, dass sich kein CEO aus dem Fenster lehnt und überproportional positive Zukunftsaussichten propagiert. Lieber wird zukünftig positiv überrascht, als Erwartungshaltungen zu schüren, die dann doch nicht eingehalten und von der Börse abgestraft werden. Diese Vorgehensweise belastet die Stimmung und die aktuellen Kurse zusätzlich.
Zinssteigerungen belasten die aktuelle Bewertung zukünftiger Ergebnisse
Neben der Inflation sind die daraus abzuleitenden Zinssteigerungen ein nennenswerter, weiterer Belastungsfaktor. Selbst wenn sich die aktuellen und zukünftigen Unternehmensergebnisse positiv entwickeln, werden diese mit erhöhten Zinssätzen diskontiert, was zu verringerten Barwerten beziehungsweise aktuellen, rechnerischen Börsenkursen führt.
In den vergangenen Jahren haben die Notenbanken den typischen und aus der Historie bekannten Wirtschaftszyklus künstlich verlängert beziehungsweise außer Kraft gesetzt: Durch ein geschaffenes Nullzinsniveau und überproportionale Liquiditätsbereitstellungen wurden fast unbegrenzt finanzielle Mittel nahezu kostenlos zur Verfügung gestellt. Dieses Eingreifen bewirkte eine Asset-Price-Inflation, welche die Aktienmärkte in die Höhe trieb.