Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater
Viel Lärm um nichts
Aktualisiert am 05.03.2020 - 14:38 Uhr
Hält am Niedrigzins fest: EZB-Chefin Christine Lagarde Foto: imago images / Panoramic
Um die Wirtschaft anzukurbeln, hält Europas Zentralbank die Zinsen seit Jahren niedrig. Große Erfolge erzielte das Institut mit der Strategie bisher nicht. Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater gibt einen Überblick über die Maßnahmen.
Die Weltöffentlichkeit starrt weiterhin auf das Coronavirus. An den Finanzmärkten gilt die Hypothese, dass dies eine vorübergehende Episode bleiben und die anstehende Erholung der Weltkonjunktur lediglich ins zweite Quartal hinein verschiebt.
Obwohl auch die Europäische Zentralbank (EZB) die wirtschaftlichen Risiken der Krankheitswelle im Blick hat, geht sie doch davon aus, dass es konjunkturell ein ruhiges Jahr wird. Die Kernrate der Inflation erholt sich im Zeitlupen-Tempo und damit gibt es keinen Anlass, geldpolitisch aktiv zu werden. Damit hat man genug Zeit, sich um die eigene Strategie zu kümmern.
Die EZB hat bei der Pressekonferenz Ende Januar erste Umrisse der geplanten...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die Weltöffentlichkeit starrt weiterhin auf das Coronavirus. An den Finanzmärkten gilt die Hypothese, dass dies eine vorübergehende Episode bleiben und die anstehende Erholung der Weltkonjunktur lediglich ins zweite Quartal hinein verschiebt.
Obwohl auch die Europäische Zentralbank (EZB) die wirtschaftlichen Risiken der Krankheitswelle im Blick hat, geht sie doch davon aus, dass es konjunkturell ein ruhiges Jahr wird. Die Kernrate der Inflation erholt sich im Zeitlupen-Tempo und damit gibt es keinen Anlass, geldpolitisch aktiv zu werden. Damit hat man genug Zeit, sich um die eigene Strategie zu kümmern.
Die EZB hat bei der Pressekonferenz Ende Januar erste Umrisse der geplanten Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie bekannntgegeben. Es geht aber nicht darum, einen leichteren Weg heraus aus den Extremzinsen zu finden. Es geht eher um die Steigerung der Effektivität der gegenwärtigen Geldpolitik in einer extremen Niedrigzinsumgebung.
Spätestens seit der Finanzkrise im Jahr 2008 haben sich grundlegende makroökonomische Mechanismen gewandelt. Inflation und Zinsen reagieren nicht mehr so schnell wie früher auf Veränderungen des Auslastungsgrades der Volkswirtschaft. Anders als in den vergangenen Dekaden geht es nicht mehr um zu hohe, sondern um zu niedrige Inflation: Inflation wie auch Inflationserwartungen sind deutlich unter die Zielmarke der EZB abgesunken. Das neutrale Zinsniveau hält sich hartnäckig nahe Null.
Die Gründe hierfür sind noch nicht abschließend erforscht, aber zu nennen sind demografische Entwicklungen, eine verringerte Verhandlungsmacht von Arbeitnehmern, die Globalisierung und der dadurch verschärfte internationale Wettbewerb, der Konjunkturschock in Folge der Finanz- und Staatsschuldenkrise sowie veränderte Produktionsprozesse und Marktbedingungen durch die Digitalisierung. Der schwächere Zusammenhang zwischen Auslastung und Inflation in Kombination mit Zinsen nahe Null macht die Aufgabe der Zentralbanken deutlich schwerer.
Insbesondere deren bisherige Vorgehensweise, mittels niedriger Zinsen die wirtschaftliche Aktivität zu stimulieren, was normalerweise mit einer gewissen Verzögerung zu steigenden Löhnen und Preisen führt, funktioniert nur noch sehr eingeschränkt.
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