Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau
Umweltdebatte mit Schieflage
Aktualisiert am 10.03.2020 - 17:17 Uhr
Öko-Aktivisten von Extinction Rebellion in London: Nur ein reguliertes Wirtschaftssystem internalsiert externe Umweltkosten
Die hitzige Umweltdebatte hat einen wahren Kern: Eine unregulierte Marktwirtschaft bildet den Wert der Umwelt falsch ab. Mit verhängnisvollen Folgen, befürchtet Berenberg-Analyst Jörn Quitzau.
Leider schießen einige Umweltaktivisten inzwischen aber weit über das Ziel hinaus und führen die gesellschaftliche Diskussion damit in eine falsche Richtung. Ihnen geht es offenbar nicht mehr nur darum, erkennbare Fehler im marktwirtschaftlichen System zu korrigieren. Das System selbst ist ihnen suspekt. Die profitorientierte Marktwirtschaft – manche sagen auch Kapitalismus – gehöre abgeschafft, so schallt es inzwischen durch die Straßen und Talkshows. Diese Systemkritik ist gleichwohl gefährlich.
Der Vorwurf aus der Umweltbewegung, es geschehe nichts zum Schutz der Umwelt, ist mit Blick auf die vielen Politikmaßnahmen weit überzogen. Und die Idee, mehr Umweltschutz durch ein anderes...
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Leider schießen einige Umweltaktivisten inzwischen aber weit über das Ziel hinaus und führen die gesellschaftliche Diskussion damit in eine falsche Richtung. Ihnen geht es offenbar nicht mehr nur darum, erkennbare Fehler im marktwirtschaftlichen System zu korrigieren. Das System selbst ist ihnen suspekt. Die profitorientierte Marktwirtschaft – manche sagen auch Kapitalismus – gehöre abgeschafft, so schallt es inzwischen durch die Straßen und Talkshows. Diese Systemkritik ist gleichwohl gefährlich.
Der Vorwurf aus der Umweltbewegung, es geschehe nichts zum Schutz der Umwelt, ist mit Blick auf die vielen Politikmaßnahmen weit überzogen. Und die Idee, mehr Umweltschutz durch ein anderes Wirtschaftssystem zu erreichen, ist zum Scheitern verurteilt. Grundsätzlich ist die Umweltbelastung das Produkt aus a) Wohlstandsniveau, b) Produktionstechnologie und c) Größe der Weltbevölkerung. Wer die Marktwirtschaft über Bord werfen möchte, um die Umwelt zu retten, wird beim ersten Faktor schnelle Erfolge erzielen: Der Wohlstand würde ohne Marktwirtschaft ganz sicher sinken. Dagegen wird es beiden anderen Faktoren nur mit der Marktwirtschaft Entlastung geben.
In einer Gesellschaft, die an Umweltschutz interessiert ist, zwingt der Wettbewerbsdruck die Unternehmen zu umweltschonenderen Produktionsverfahren. Außerdem gibt es in fast allen marktwirtschaftlich organisierten Ländern mit funktionierender Altersvorsorge kein nennenswertes Bevölkerungswachstum, denn in diesen Ländern hängt die Alterssicherung nicht primär davon ab, ob man viele Kinder hat.
In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern sieht es anders aus: Laut UN-Bevölkerungsprognose wird die Bevölkerung in den kommenden Jahren vor allem in Afrika stark wachsen. Zwischen 2020 und 2030 soll die Bevölkerung dort um rund 350 Millionen Menschen steigen. Wenn höherer Wohlstand und Finanzmärkte, mit denen man für das Alter vorsorgen kann, dazu beitragen, den globalen Bevölkerungszuwachs zu bremsen, hat dies auch positive Effekte auf die Umwelt.
Die aufkeimende Debatte über unser profitorientiertes Wirtschaftssystem, das angeblich blind ist für die wichtigen Dinge des Lebens wie Umweltschutz und Lebensqualität, geht in weiten Teilen ohnehin an der Realität vorbei. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben sich bereits deutlich verändert.
Natürlich ist für die Wirtschaftspolitik immer noch das Bruttoinlandsprodukt die zentrale Orientierungsgröße, denn alle Einnahmen und Ausgaben des Staates knüpfen an der tatsächlichen Wirtschaftskraft eines Landes an – und nicht an Wohlfühlfaktoren. Darüber hinaus gibt es aber eine Reihe von Maßnahmen und Initiativen, mit denen versucht wird, das Wohlergehen der Bürger abseits der harten wirtschaftlichen Kennzahlen zu erfassen und zu verbessern. Der „Better Life Index“ der OECD sowie die 17 Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung („Sustainable Development Goals“) sind nur zwei Beispiele.
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