LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in MärkteLesedauer: 8 Minuten

Degussa-Goldhandel-Chefvolkswirt Thorsten Polleit Warum Staatsanleihen unmoralisch sind

Seite 2 / 3

„Der Staat erbeutet das Geld“ 

Ein solcher Staat macht etwas, was allen anderen aus gutem Grund verwehrt ist: Er nimmt den Bürgern ohne ihr Einverständnis Geld weg, und die Geschröpften haben noch nicht einmal Anspruch auf eine individuelle Gegenleistung. Dass der Staat das erbeutete Geld – nachdem er davon sich und die von ihm Begünstigten bezahlt hat – Bürgern und Unternehmern (direkt oder indirekt) wieder zuschanzt, macht es nicht besser. Er verstößt gegen die ethische Handlungsnorm, das Eigentum zu respektieren.

Es ist absehbar, dass solch ein Staat eine immer größer werdende Zahl von „Fans“ und Günstlingen um sich versammelt. Zusammen entwickeln sie ein Verlangen nach dem Geld derjenigen, die nicht zum Staat gehören. Die Steuern, die die produktiven Bürger und Unternehmer zähneknirschend bereit sind zu zahlen, reichen ihnen nicht aus. Daher weicht der Staat auf eine für ihn besonders attraktive Form der Geldbeschaffung aus: die Verschuldung.

Gemeinsame Sache mit Raubstaat

Seine Schuldpapiere stoßen meist auf rege Nachfrage: Viele Anleger sehen in den Anleihen des Staates eine einfache und sichere Möglichkeit, um eine angemessene Rendite zu verdienen. Sie geben daher – anders als bei der Steuereintreibung – dem Staat ihr Geld freiwillig. Sie machen gemeinsame Sache mit dem – wie ihn Martin Walser so treffend nennt – Raubstaat. Das besonders Tückische daran: Kaum jemand fühlt sich geprellt, und deshalb kommt der Staat per Kreditaufnahme auch so leicht an das Geld seiner Untertanen.

Wie bezahlt der Staat die Zinsen und Tilgungen auf seine Schulden? In der Regel ist er ein Dauerschuldner, er ersetzt fortlaufend fällige Kredite mit neuen Krediten. Das funktioniert so lange problemlos, wie es Anleger gibt, die erwarten, dass künftig, wenn die Staatsschulden fällig werden, andere Anleger bereit sein werden, die neuen Schuldpapiere zu kaufen. Und diese künftigen Anleger haben die gleiche Erwartungshaltung.

Staatsschulden ein Schneeballsystem?

Sind Staatschulden also etwa ein Schneeballsystem, ein „Ponzi-Spiel“? Dieser beunruhigende Verdacht ließe sich vielleicht entkräften, wenn die kreditfinanzierten Staatsausgaben gesamtwirtschaftlich produktiv, wenn sie „netto-nützlich“ wären. Doch das sind sie nicht. Wären sie es, gäbe es eine große Zahl von überzeugenden Studien, die konkret und auf die Nachkommastelle aufzeigen würden, dass kreditfinanzierte Staatsausgaben den Wohlstand erhöhen. Doch die gibt es nicht.

Das ist nicht überraschend. Solides ökonomisches Nachdenken zeigt nämlich, dass Staatsschulden die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft schmälern. Der Grund: Der Staat zieht per Kreditaufnahme knappe Ressourcen an sich, die anderen Verwendungen entzogen werden. Er verausgabt sie gemäß politisch-ideologischer, nicht rationalwirtschaftlicher Ziele. Geld wird vielfach in Verwendungen gesteckt, die nur eine geringe oder gar keine produktive Wirkung entfalten.

Wohlstandszuwachs trotz Schulden

Wer nicht ganz auf den Kopf gefallen ist, der kann leicht einsehen, dass die Staatsschulden von heute die (erdrückende) Steuerlast von morgen sind: Das, was der Staat heute auf Pump finanziert, muss schließlich irgendwann bezahlt werden. Die Aussicht auf künftige Besteuerung schmälert schon heute, in der Gegenwart, den Anreiz zu sparen und zu investieren. Die Folge: weniger Wohlstandszuwachs.

Man mag nun einwenden: Die Volkswirtschaften sind doch in den letzten Jahrzehnten gewachsen, obwohl die Staatsverschuldung immer weiter zugenommen hat. Das wäre vorschnell geurteilt. Die Volkswirtschaften wären stärker gewachsen, wenn es keine Staatsverschuldung gegeben hätte. Es gab Wohlstandszuwachs trotz, nicht wegen steigender Staatsschulden.

Tipps der Redaktion