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Degussa-Goldhandel-Chefvolkswirt Thorsten Polleit Warum Staatsanleihen unmoralisch sind

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Bond-Käufer handeln unethisch

Vielen Menschen ginge es heute besser, gäbe es keine Staatsverschuldung. Beispielsweise wären die Produktivität der Volkswirtschaft und das allgemeine Lohnniveau höher, als sie es heute sind. Die Altersvorsorge stünde auf solideren Füßen – bedenkt man, dass heutzutage viele Menschen ihre Pensionen in Staatsschulden angelegt haben, also in Anleihen, mit deren ehrlicher Rückzahlung nicht zu rechnen ist.

Die ernüchternde Einsicht lautet: Wer in Staatsanleihen investiert, macht nichts Gutes, er handelt unethisch, unmoralisch. Er spielt einer Institution in die Hände, die auf vielfältige Weise das Eigentum der Menschen unterwandert, aushebelt, es scheibchenweise aufhebt. Das ist – wie bereits aufgezeigt – unvereinbar mit einer ethischen Handlungsnorm.

Aussichten haben sich verdüstert

Die Treue zu den Staatsanleihen, die viele Investoren gerade auch hierzulande immer noch haben, erklärt sich vermutlich durch die Renditen, die man in der Vergangenheit erzielen konnte. Wer beispielsweise seit Beginn der 1980er Jahre bis Januar 2018 in deutsche Staatspapiere angelegt hat, konnte eine jahresdurchschnittliche Rendite von immerhin 6 Prozent (vor Steuern und Inflation) erzielen – während deutsche Aktien allerdings 9,4 Prozent und US-amerikanische 12,2 Prozent einbrachten.

„Dort, wo die öffentliche Schuld einmal eine bestimmte Höhe überschritten hat, ist es meines Wissens kaum gelungen, sie auf gerechte Weise und vollständig zurückzuzahlen. Sofern es überhaupt gelang, die Staatsfinanzen wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen, bediente man sich stets dazu des Bankrotts, den man bisweilen auch unverhohlen zugegeben hat, und selbst dort, wo häufig Rückzahlungen nominal geleistet wurden, blieb es in Wirklichkeit ein echter Bankrott.“ 
Adam Smith (1723 – 1790), An Inquiry Into The Nature
And causes Of the Wealth of Nations, S. 725-726.

Doch die Aussichten, mit Staatsanleihen auch künftig verdienen zu können, haben sich verdüstert. Die Staatsschulden sind vielerorts so groß geworden, dass die Zentralbanken die Zinsen auf extreme Niedrigstände geschleust haben. Das Ziel: Kredite sollen die Staaten nichts mehr kosten. Wer dem Staat Geld leiht, soll nichts mehr verdienen. Am besten soll er noch drauflegen, indem der Zins, den der Staat zahlt, abzüglich der Inflation negativ gemacht wird.

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Kreditgeber werden zur Ader gelassen

Der Staat hat begonnen, seine Kreditgeber zur Ader zu lassen. Die Strategie, dem Staat Geld zu leihen und dafür eine einträgliche Belohnung kassieren zu können, geht nicht mehr auf. Doch das ist – auch wenn es für den einen oder anderen Anleger schmerzlich ist – eine Wendung zum Besseren: Anleger werden quasi mit der Nase auf die Erkenntnis gestoßen, dass man sein Geld besser nicht dem Staat leiht.

Ein letzter Gedanke: Der Investor, der über die Ethik seiner Investments nachdenkt, sollte zwischen persönlichen Wertungen und ethischen Handlungsnormen genau unterscheiden. Es könnte beispielsweise sein, dass ich nicht in Unternehmen investieren möchte, die Computerspiele herstellen (weil ich der Meinung bin, Computerspiele schaden den Kindern). Es steht mir natürlich frei, das zu meinen und entsprechend zu handeln. Aber das heißt noch nicht, dass mein Handeln damit ethisch ist.

Bonds keine ethischen Investments

Das, was in meiner Entscheidung als „bloße Form eines allgemeinen Gesetzes“ (wie Immanuel Kant es sagen würde) enthalten ist, lautet: „Was mir nicht gefällt, das muss auch anderen nicht gefallen“. Das aber kann keine ethische Handlungsnorm sein. Denn es würde das, was ich anstrebe („Was mir nicht gefällt, muss auch den anderen nicht gefallen“), verunmöglichen (denn das zugrundeliegende allgemeine Handlungsgesetz hieße: „Was den anderen gefällt, das muss auch mir gefallen“).

Will man als Investor ethische von unethischen Investments abgrenzen, sollte man folglich genau prüfen, welche Entscheidungskriterien man zugrundelegt – ob sie einer rein persönlichen Wertung entstammen, oder ob sie einen verallgemeinerungsfähigen Leitsatz des eigenes Handelns darstellen. Ansonsten besteht die Gefahr, zu falschen Entscheidungen zu gelangen. Bei Staatsanleihen ist der Fall offenkundig: Sie sind keine ethischen Investments.

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