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Degussa-Kommentar: Die Interventionismus-Falle

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit
Unter „Interventionismus“ ist ein Wirtschaftssystem zu verstehen, in dem der Staat durch Weisungen, Vorschriften, Regulierung, Ge- und Verbote den Eigentümern vorschreibt, was sie mit ihrem Eigentum dürfen und was nicht. Anders als im Sozialismus darf zwar jeder Bürger und Unternehmer sein Eigentum formal behalten. Jedoch schränkt der Staat die Verfügungsrechte der Eigentümer über ihr Eigentum (zusehends) ein.

Das, was die Befürworter des Interventionismus antreibt, ist die Meinung, dass sich mittels Interventionen (Markt-) Ergebnisse erzielen lassen, die besser sind, als wenn der freie Markt regiert. Sie vertreten die Meinung, mittels Interventionismus ließe sich ein „Mittelweg“ zwischen dem System der freien Märkte (Kapitalismus) und dem Sozialismus (Verstaatlichung des Eigentums) beschreiten. Die Interventionisten meinen, der Interventionismus kann die „ guten Seiten “ von Kapitalismus und Sozialismus nutzen und deren schlechte Seiten ausschalten.

Die westliche Welt ist über die letzten Jahrzehnte zusehends auf den Interventionismus eingeschwenkt. Es gibt kaum mehr eine Wirtschafts- und Gesellschaftsaktivität, die nicht dem staatlichen Interventionismus ausgesetzt wäre.

So beherrscht der Staat (vollends) das Gesundheitswesen, die Energiewirtschaft, die Erziehung und Bildung, weite Teile des Transportwesens, die Gerichtsbarkeit, die Sicherheit, das Geld und Kreditwesen. Der Staat, nicht der freie Markt, hat in all diesen Bereichen die Oberhand.

Wie problematisch der Interventionismus ist, soll im Folgenden aufgezeigt werden. Dazu sollen zunächst drei Beispiele illustrieren, dass der staatliche Interventionismus seine Ziele, die er erreichen will, nicht erreicht ja gar nicht erreichen kann.

Beispiele für den Interventionismus

Beispiel 1: Der Staat erhebt einen Mindestlohn, um die Einkommensbedingungen der Arbeitnehmer zu verbessern. Ist der Mindestlohn höher als der Lohn, der sich beim freien Spiel um Angebot und Nachfrage im Arbeitsmarkt einstellt, so ist ungewollte Arbeitslosigkeit die Folge: Bei solch einem Mindestlohn wird die Nachfrage kleiner sein als das Arbeitsangebot, und sie wird auch geringer sein im Vergleich zur Situation, in der der Staat keinen Mindestlohn erhebt.

Eine Mindestlohnpolitik wird die Beschäftigungszahl nicht steigern, sondern vielmehr absenken. Besonders betroffen sind dabei die niedrig qualifizierten, also diejenigen, die ohnehin schon ein geringes Einkommen haben. Sie sind die ersten, die bei einem Mindestlohn nicht mehr bezahlbar sind und keine Anstellung mehr finden.

Beispiel 2: Der Staat will den Mietpreis absenken, um Wohnraum „bezahlbar“ zu machen. Dazu fixiert er einen Höchstpreis für Mietzahlungen. Wenn der Höchstpreis für Mieten niedriger ausfällt als der markträumende Preis, übersteigt die Nachfrage nach Mietraum das Angebot von Mietraum. Das Angebot von Mietraum muss irgendwie zugeteilt, also „rationiert“ werden.

Die absehbaren Folgen bei Angebotsknappheit unter (Miet-) Höchstpreis sind „Warteschlangen“, Korruption und Vetternwirtschaft. Ein Höchstpreis für Vermietung wird Investoren davon abhalten, in neue Wohnungen zu investieren. Das gilt sowohl für Instandhaltungs- als auch für Erneuerungsinvestitionen. Die Folge ist eine Verschlechterung der Wohnbedingungen für Mieter. Eine Mietpreisobergrenze reduziert also nicht nur den Wohnraum, er verschlechtert auch die Lebensqualität der Mieter.

Beispiel 3: Die staatliche Zentralbank senkt den Zins künstlich herab, um die Wirtschaft zu beleben. Ein niedriger Zins regt zwar zunächst neue Investitionen an, löst einen Aufschwung („Boom“) aus. Jedoch wird der Boom nur von kurzer Dauer sein. Der Boom hält nur solange an, wie immer mehr neue Kredite zu immer tieferen Zinsen vergeben werden.

Doch früher oder später versiegt der Zustrom von neuem Kreditgeld. Der Boom schlägt in einen Abschwung („Bust“) um. Am Ende des durch die Zentralbank ausgelösten Booms steht notwendigerweise die Rezession oder gar Depression: der Zusammenbruch der Wirtschaft als unmittelbare Folge der Kredit- und Geldmarktintervention durch die Zentralbank.

Banken und Euro Interventionismus

Wenn Interventionen darauf abzielen, das Handeln der Marktakteure so zu verändern, dass sie in einer Weise handeln, die nicht mehr ihren wohlverstandenen Eigeninteressen entspricht, werden sie versuchen, den Interventionen auszuweichen. Ein gutes Beispiel dafür liefert das Verhalten vieler Banken in den Jahren vor Ausbruch der Finanz und Wirtschaftskrise.

Die staatliche Regulierung schrieb Banken vor, ihre Risikopositionen mit Eigenkapital zu unterlegen. Daraufhin lagerten viele Banken Risiken aus der Bilanz auf sogenannte Zweckgesellschaften („Special Purpose Vehicles“) aus. Auf diese Weise konnte teures Eigenkapital entlastet und gewinnbringend anderweitig genutzt werden.

Weil die Banken dabei formal den Ansprüchen der Regulatoren genügten, nahmen die Kreditgeber der Banken daran keinen Anstoß an diesem Geschäftsgebaren. Sie liehen den Banken munter weiter Geld, erlaubten ihnen also, ihren Verschuldungsgrad und damit ihre Risiken immer weiter auf und aus zubauen. Das „Gütesiegel“, das die staatlichen Regulierer den Banken verliehen hatten, hatte das Risikobewusstsein vieler Investoren eingeschläfert – bis es dann beim Ausbruch der Krise zu einem bösen Erwachen kam. Die staatliche Regulierung hatte folglich nicht für weniger, sondern für mehr Risikoaufbau im Finanzsektor gesorgt.

Nunmehr hat eine Interventionismusspirale eingesetzt. Der Bankensektor soll jetzt durch „bessere“ und „umfangreichere“ Regulierung „krisensicherer“ gemacht werden. Die Interventionisten sind also nicht etwa entmutigt, dass ihre bisherigen Interventionen kontraproduktiv waren. Angesichts des angerichteten Schadens fühlen sie sich vielmehr ermutigt, dass sie jetzt „beherzter“ und „aggressiver“ vorgehen müssen, um ihre Ziele zu erreichen.

Das europäische Integrationsprojekt ist ein Opfer des Interventionismus geworden. Die staatlich oktroyierte Zwangseinheitswährung Euro funktioniert nicht so, wie es sich die Planer gedacht haben. Der Maastricht Vertrag und der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt haben die staatliche Verschuldung nicht dauerhaft absenken können, weil die Anreize, die die Euro Einheitswährung unter dem Regime der Europäischen Zentralbank (EZB) setzt, die allgemeine Verschuldung erhöhen, nicht senken.

Die Krise, die der Interventionismus im Euroraum angerichtet hat, zieht nunmehr noch mehr Interventionismus nach sich. Dabei wird dem Ziel, den Euro um jeden Preis zu erhalten, nunmehr nahezu alles untergeordnet. Die EZB verletzt ihre vertraglich vorgegebenen Kompetenzen, etwa durch (angekündigte) Staatsanleihekäufe. Die nationale Fiskalverantwortlichkeit wird ausgeschaltet, indem durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) eine supranationale Verschuldungsebene geschaffen wird. Eine „Bankenunion“ soll auf den Weg gebracht werden: Offiziell, um das Euroraum Bankwesen „sicherer“ zu machen, inoffiziell, um den Wettbewerb im Euroraum auszuschalten, der schwache Anbieter aussortiert und starken Anbietern Marktanteile zukommen lässt.

Die EZB ist dabei – vermutlich entgegen der Absicht der Euro-Väter – zur zentralen Machtschaltstelle im Euroraum geworden: Ihre Zins- und Subventionsentscheidungen befinden über das Wohl oder Wehe von nationalen Regierungen, nationalen Banken, nationalen Konjunkturen und sogar nationalen Wirtschaftsstrukturen.

„Sackgasse“ Interventionismus

Um die Schäden, die der Interventionismus anrichtet, nicht in Erscheinung treten zu lassen, wird der Staat und seine Bürokraten immer weiter reichender interventionieren wollen. Fahren sie dabei unbeirrt und unbehindert fort, wird die Marktwirtschaft immer weiter ausgehebelt, und an ihre Stelle tritt eine Form des Sozialismus: Ein System, in dem eine Zentralstelle bestimmt, wer was wann zu tun und zu lassen hat, ein System, in dem das Privateigentum vielleicht formal noch erhalten bleibt, in dem jedoch die Verfügungsgewalt über das Eigentum de facto dem Staat übertragen ist .

Die ökonomische Analyse zeigt unmissverständlich, dass der Interventionismus – der ja einen Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus anstrebt – nicht gangbar ist. Der Interventionismus ist vielmehr sinn- und zweckwidrig und ist zum Scheitern verurteilt. Entweder wird der Interventionismus immer weiter fortgeführt, dann endet er letztlich im Sozialismus. Oder man kehrt sich von ihm ab, dann aber muss der Weg zurück zum System der freien und ungehinderten Märkte beschritten werden. Im Euroraum scheint jedoch der Glaube an den Interventionismus leider nach wie vor ungebrochen zu sein. 

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