Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater über Deutschland
Kollateralschäden des globalen Handelsstreits
Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Dekabank Foto: Team Uwe Nölke
Noch schaut Deutschland beim Handelsstreit eher zu als dass es direkt betroffen ist. Das kann sich aber durch den globalen Stimmungsumschwung sehr bald ändern.
All das ist bislang in erster Linie ein Problem der deutschen Industrie. Viele Jahre befand sich diese in einer Art Sonderkonjunktur. Während die Industrie in anderen Ländern auf der Stelle trat oder damit beschäftigt war, die Folgen der europäischen Schuldenkrise zu bewältigen, profitierten die deutschen Unternehmen von ihrer globalen Ausrichtung und insbesondere ihrer starken Zuwendung zum US-amerikanischen und chinesischen Markt. Doch diese Sonderkonjunktur ist vorüber. Seit drei Quartalen befindet sich die deutsche Industrie in einer Rezession und wird sich wohl auch im zweiten Quartal 2019 nicht aus deren Fängen befreien können. Inzwischen rechnen die wichtigsten Industriezweige mit Schrumpfungen...
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All das ist bislang in erster Linie ein Problem der deutschen Industrie. Viele Jahre befand sich diese in einer Art Sonderkonjunktur. Während die Industrie in anderen Ländern auf der Stelle trat oder damit beschäftigt war, die Folgen der europäischen Schuldenkrise zu bewältigen, profitierten die deutschen Unternehmen von ihrer globalen Ausrichtung und insbesondere ihrer starken Zuwendung zum US-amerikanischen und chinesischen Markt. Doch diese Sonderkonjunktur ist vorüber. Seit drei Quartalen befindet sich die deutsche Industrie in einer Rezession und wird sich wohl auch im zweiten Quartal 2019 nicht aus deren Fängen befreien können. Inzwischen rechnen die wichtigsten Industriezweige mit Schrumpfungen im Gesamtjahr 2019. Doch noch lässt sich die industrielle Schwäche gesamtwirtschaftlich verkraften, weil die anderen binnenorientierten Branchen ordentlich laufen. Tatsächlich zeigt die ifo-Umfrage, dass sich Einzelhandel und Bauwirtschaft weiterhin in einer Boomphase befinden. Angesichts der aktuell immer noch erfreulichen binnenwirtschaftlichen Rahmen-bedingungen – namentlich ein stabiler Arbeitsmarkt und eine anhaltend erfreuliche Lohnperspektive – ist das nicht verwunderlich. Mit Blick auf die Bautätigkeit kommen das anhaltende Vertrauen in die Sicherheit des Arbeitsplatzes und das ultraniedrige Zinsniveau als stützende Elemente hinzu.
Doch je länger sich die schwache Perspektive der exportorientierten Branchen in die Länge zieht, desto stärker werden auch in der Binnenkonjunktur Bremsspuren sichtbar. Die Stimuli vom Arbeitsmarkt werden schwächer. Hier kommt es aber zu einer seltsamen Verquickung von Angebots- und Nachfrageknappheiten: Einerseits ist das Angebot von Arbeitskräften, insbesondere Fachkräften, derzeit immer noch knapp, anderseits berichtet die Bundesagentur für Arbeit von zunehmenden Bremsspuren durch die schwächere Konjunktur, und die Unternehmen reduzieren ihre Beschäftigungspläne (Abb. 6). Diese beiden Effekte kompensieren sich teilweise. Dort, wo Fachkräftemangel herrscht, werden Unternehmen auch in Zeiten schwächeren Wachstums versuchen, gut ausgebildete Menschen zu halten oder sogar freigesetzte einzustellen. Ein empfindlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit ist damit auch bei einer anhaltenden Konjunkturschwäche nicht zu erwarten. Doch insbesondere die Impulse, die in den letzten Jahren vom Arbeitsmarkt ausgingen, klingen ab. Anders sieht es aber bei der zweiten Einkommenskomponente, den Löhnen, aus. 2019 wird ein Spitzenjahr hinsichtlich des Lohnwachstums, doch es zeichnet sich heute schon ein etwas geringeres Lohnwachstum für 2020 ab. Sollten die konjunkturellen Probleme anhalten, ist damit zu rechnen, dass kommende Tariflohnabschlüsse verhaltener ausfallen und dass Sonderzahlungen gekürzt werden. Dadurch würde die Dynamik der Binnennachfrage schwächer.
Konjunkturausblick verhalten
Das zweite Quartal wird eine erneute Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts bringen. Betrachtet man das durchschnittliche Wachstum der letzten vier Quartale, so trat die deutsche Volkswirtschaft in diesem Zeitraum auf der Stelle – ein ganzes Jahr lang. Ende 2017 hatte das durchschnittliche Quartalswachstum noch bei stolzen 0,7 Prozent gelegen.
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