Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater
Zentralbank am Limit
Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Dekabank. Foto: Dekabank
Das Coronavirus hat Wirtschaft und Gesellschaft fest im Griff, in Europa schrumpft die Konjunktur. In dieser Situation ist es besonders wichtig, wie sich die Europäische Zentralbank positioniert, findet Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank.
Die atemberaubende Geschwindigkeit der Ausbreitung des Coronavirus von Italien aus trübt die Konjunktur. Aus heiterem Himmel – eine weltweite kräftige Erholung des Industriezyklus war zu Beginn des Jahres zu beobachten – ist die Weltwirtschaft an den Rand einer Rezession gedrängt.
China, Japan und das Euroland mit Italien, Frankreich und Deutschland sind in den ersten beiden Quartalen zumindest in einer technischen Rezession. Für die USA stehen die dämpfenden Entwicklungen inklusive der Einschränkungen des öffentlichen Lebens noch aus, da die Infektionswelle hier erst für die zweite Märzhälfte erwartet wird. Die zeitliche Verzögerung dürfte jedoch deutlich geringer sein als der zweimonatige...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die atemberaubende Geschwindigkeit der Ausbreitung des Coronavirus von Italien aus trübt die Konjunktur. Aus heiterem Himmel – eine weltweite kräftige Erholung des Industriezyklus war zu Beginn des Jahres zu beobachten – ist die Weltwirtschaft an den Rand einer Rezession gedrängt.
China, Japan und das Euroland mit Italien, Frankreich und Deutschland sind in den ersten beiden Quartalen zumindest in einer technischen Rezession. Für die USA stehen die dämpfenden Entwicklungen inklusive der Einschränkungen des öffentlichen Lebens noch aus, da die Infektionswelle hier erst für die zweite Märzhälfte erwartet wird. Die zeitliche Verzögerung dürfte jedoch deutlich geringer sein als der zweimonatige Abstand zwischen Asien und Europa.
Technische Rezession bedeutet, dass der Abschwung aufgrund eines exogenen Schocks, im Fall des Coronavirus einer Pandemie, auftritt. Negative Multiplikatorwirkungen treten jedoch wenig auf, da bei einem Verschwinden der exogenen Ursache die Wirtschaft wieder mehr oder weniger am Ausgangstrend anknüpft.
Für Analysten liegt die offensichtlichste Multiplikatorwirkung am Arbeitsmarkt: Ein Job der wegfällt, bedeutet geringere Konsumnachfrage. Ob sie bei konjunktureller Besserung gleich wieder aufgebaut wird, ist fraglich.
An den Finanzmärkten ist diese Interpretation des Geschehens als technische Rezession immer noch vorherrschend, daher ist etwa an den Aktienmärkten zwar ein heftiger Risikoabschlag eingepreist, jedoch die Erwartung vielfach noch auf eine schnelle Trend-Umkehr gerichtet.
Aus unserer Sicht muss dieses Szenario der technischen Rezession mit der Perspektive einer dauerhaften Beeinträchtigung durch das Virus zunehmend hinterfragt werden. Noch halten wir an dieser Sichtweise fest, die richtige Rezession mit zahlreichen Multiplikatoreffekten bildet unser Risikoszenario – bei einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent. Hier wird insbesondere das Verbraucher- und Industrievertrauen in den kommenden sechs Wochen entscheidenden Aufschluss geben.
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