Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater
Nächste Lockerung der EZB nur bei Entlastungen für die Banken
Aktualisiert am 19.08.2019 - 17:19 Uhr

Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank Foto: Dekabank
Wie sich die Anforderungen an die Notenbanken in den letzten 20 Jahren geändert haben und welche zwei Möglichkeiten die Währungshüter haben, diesen zu begegnen, erklärt Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater.
Das Dilemma der Notenbanken hält an. Ihr gesetzlicher Auftrag lautet, den Geldwert stabil zu halten. Die Herausforderungen dabei haben sich aber in den letzten Jahren so gewandelt, dass die Währungshüter in der Öffentlichkeit zusehends in die Defensive geraten. Auch in der Fachöffentlichkeit nehmen die Diskussionen um die richtigen geldpolitischen Konzepte zu. Jahrzehntelang lag die Aufgabe vor allem darin, Inflationsanstiege zu verhindern oder bereits zu hohe Inflationsraten wieder zu reduzieren. Hierzu sind die Währungshüter mit sehr effizienten Instrumenten ausgestattet.
Zwei Dinge haben sich in den letzten beiden Dekaden allerdings verändert. Zum einen ist der Kapitalmarktzins gefallen....
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Das Dilemma der Notenbanken hält an. Ihr gesetzlicher Auftrag lautet, den Geldwert stabil zu halten. Die Herausforderungen dabei haben sich aber in den letzten Jahren so gewandelt, dass die Währungshüter in der Öffentlichkeit zusehends in die Defensive geraten. Auch in der Fachöffentlichkeit nehmen die Diskussionen um die richtigen geldpolitischen Konzepte zu. Jahrzehntelang lag die Aufgabe vor allem darin, Inflationsanstiege zu verhindern oder bereits zu hohe Inflationsraten wieder zu reduzieren. Hierzu sind die Währungshüter mit sehr effizienten Instrumenten ausgestattet.
Zwei Dinge haben sich in den letzten beiden Dekaden allerdings verändert. Zum einen ist der Kapitalmarktzins gefallen. Das ist ein globales Phänomen und hat weniger mit der Notenbankpolitik als mit dem weltweiten Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Kapitalmarkt zu tun. Wahrscheinlich sind demografische Faktoren wesentlich daran beteiligt, dass zu viel Kapital auf ein eher verhaltenes Investitionsgeschehen trifft. Das wirkt zinssenkend.
An dem zweiten Grund sind die Notenbanken durchaus beteiligt. Allerdings nicht etwa, weil sie Fehler gemacht hätten, sondern weil sie auf der ganzen Linie erfolgreich waren. Das sind die gegenwärtig extrem niedrigen Inflationsraten, die auch bei langanhaltender, guter Konjunktur nicht ansteigen wollen. Neben zahlreichen anderen Faktoren ist es die konsequente Verankerung der Inflationserwartungen durch die Notenbanken seit Anfang der neunziger Jahre, die dafür sorgt, dass die Inflationsraten nach unten mindestens ebenso flexibel sind wie nach oben.
Für eine solche Situation ist der Medikamentenkoffer der Notenbanken deutlich schlechter ausgerüstet. Hat das Zinsniveau die Nullgrenze erreicht, muss mit Anleihekäufen eine andere Klasse von Wirkstoffen zum Einsatz kommen. Deren Risiken und Nebenwirkungen sind allerdings ebenfalls deutlich stärker.
Was ist zu tun?
Was ist zu tun? Prinzipiell sind zwei Richtungen möglich. Entweder verabschieden sich die Notenbanken von ihren bisherigen Inflationszielen und lassen den Inflationsraten zumindest nach unten freien Lauf. Das erscheint dem weit überwiegenden Teil von Makroökonomen jedoch gefährlicher als die gegenwärtigen Nebenwirkungen von Nullzinspolitik und Marktverzerrungen. Zu sehr sind negative Inflationsraten mit Vorstellungen von Abwärtsspiralen beim Wachstum und mit Überschuldungsängsten verbunden.
Bleibt die zweite Option: das Festhalten an den gegenwärtigen Inflationszielen von etwa 2 Prozent und die Verlängerung der Therapie mit den geldpolitischen Keulen. Betrachtet man die internationale Diskussion – etwa auf der jüngsten Fed-Konferenz in Chicago –, dann ist die Entscheidung bereits gefallen, nämlich zugunsten der zweiten Richtung.
Künftig werden hierbei die Inflationserwartungen eine noch wichtigere Rolle spielen: Selbst wenn die aktuell gemeldeten Teuerungsraten wieder beim oder über dem Inflationsziel liegen sollten, wird künftig eine geldpolitische Normalisierung nur dann sinnvoll sein, wenn auch die langfristigen Inflationserwartungen mitziehen. Dadurch wird die Geldpolitik eine grundsätzliche Neigung hin zur Lockerheit aufweisen. Die langfristigen Kapitalmarktzinsen reflektieren dies bereits heute mit neuen Tiefstständen.
Freibetragssystem notwendig
Für den europäischen Bankenmarkt ist allerdings klar, dass eine Verlängerung und erst recht eine weitere Lockerung der expansiven Geldpolitik von entlastenden Maßnahmen für das Bankensystem begleitet sein muss. Sollte in einer neuen Lockerungsrunde auch der Einlagensatz noch einmal gesenkt werden, so kann man mit einem Freibetragssystem rechnen, das wie in Japan, Dänemark oder in der Schweiz größere Teile der Überschussreserven vom negativen Einlagensatz befreit.
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