Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch
Diese Folgen hat der Brexit für die deutsche Wirtschaft
Aktualisiert am 05.03.2020 - 15:05 Uhr
Herzogin Meghan und Prinz Harry bei einer Veranstaltung in London: Der Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland schrumpft.
Im Jahr 2016 haben sich die Briten in einem Referendum mehrheitlich für den Austritt aus der Europäischen Union entschieden. Die Verhandlungen zwischen London und Brüssel ziehen sich zwar noch hin, in der Wirtschaft wirft der Brexit aber schon seine Schatten voraus.
Unter den Chancen des Brexit für den Standort Deutschland wurden in Umfragen immer wieder Verlagerungen nach Deutschland beziehungsweise Direktinvestitionen aus dem UK genannt. Im letzten Brexit Survey von Deloitte erwartete beispielsweise jedes zweite Unternehmen (49 Prozent), dass der Standort Deutschland durch Verlagerungen aus dem UK nach Deutschland profitieren könnte.
Dieser Effekt zeigt sich bisher noch nicht. Die Direktinvestitionen aus dem UK sind zwar gestiegen, aber ungefähr im Trend der Direktinvestitionen anderer Ländern. UK-Investitionen verzeichnen seit dem Referendum im Jahr 2016 zwar einen Anstieg von 14 Prozent, etwas mehr als der Durchschnitt, aber der Anstieg ist geringer...
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Unter den Chancen des Brexit für den Standort Deutschland wurden in Umfragen immer wieder Verlagerungen nach Deutschland beziehungsweise Direktinvestitionen aus dem UK genannt. Im letzten Brexit Survey von Deloitte erwartete beispielsweise jedes zweite Unternehmen (49 Prozent), dass der Standort Deutschland durch Verlagerungen aus dem UK nach Deutschland profitieren könnte.
Dieser Effekt zeigt sich bisher noch nicht. Die Direktinvestitionen aus dem UK sind zwar gestiegen, aber ungefähr im Trend der Direktinvestitionen anderer Ländern. UK-Investitionen verzeichnen seit dem Referendum im Jahr 2016 zwar einen Anstieg von 14 Prozent, etwas mehr als der Durchschnitt, aber der Anstieg ist geringer als bei Direktinvestitionen aus den USA und China. Auch sind die Direktinvestitionen aus dem UK in den drei Jahren davor ungefähr mit der gleichen Rate gestiegen.
Die große Welle der Verlagerungen ist also noch nicht sichtbar. Allerdings betrifft dies nur Investitionen von Firmen mit Sitz im Vereinigten Königreich. Insgesamt sind die Direktinvestitionen nach Deutschland besonders im Finanzsektor stark gestiegen. Dies kann darauf hindeuten, dass sich vor allem Firmen, die nicht ursprünglich aus dem UK kommen, verlagern. US-Banken, die ihre Dependancen und Operationen von London nach Frankfurt verlagern, sind ein Beispiel hierfür.
Brexit-Abkommen: Nicht die letzte Deadline
Auch wenn viele Menschen verständlicherweise hoffen, dass mit dem möglichen Zustandekommen des Austrittsvertrages der Brexit nach der nächsten Deadline Geschichte ist – es wird so nicht kommen. Wenn der Austrittsvertrag im britischen Parlament verabschiedet werden sollte, steht damit erstmal nur die ursprünglich zweijährige Übergangsphase fest, in der sich nichts ändert. Während der Übergangsphase sollen dann die künftigen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen verhandelt werden. Insofern steht der Hauptteil der Brexit-Verhandlungen erst noch bevor.
Allerdings ist die Zeit mehr als knapp. Das 2017 ratifizierte Handelsabkommen mit Kanada wurde sieben Jahre lang verhandelt. Die Übergangsfrist nach dem Brexit ist jedoch sehr viel kürzer. Durch die Verschiebungen des Austritts ist sie zusammengeschmolzen und läuft schon Ende nächsten Jahres aus. Die Übergangsphase kann verlängert werden, aber dies muss Mitte 2020 beantragt werden. Ob sich dafür Mehrheiten finden, ist nach den Erfahrungen dieses Jahres zumindest fraglich.
Deswegen ist auch ein harter Brexit immer noch nicht vom Tisch, selbst wenn das Austrittsabkommen im britischen Parlament verabschiedet wird. Er ist auch nächstes Jahr möglich. Unternehmen müssen sich nach wie vor mit allen Brexit-Szenarien und strategischen Optionen beschäftigen, um angemessen reagieren zu können.
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