Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch
Wandel im Welthandel

Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch
Die Corona-Krise trifft den Welthandel ins Mark. Die Welthandelsorganisation geht von einem dramatischen Rückgang von 13 bis 32 Prozent für 2020 aus. Damit dürfte der Handelseinbruch in der Folge der Finanzkrise übertroffen werden – und dies möglicherweise sehr deutlich.
Die Corona-Krise ist für den internationalen Handel vor allem deswegen gravierender, weil zum globalen Nachfragerückgang ein A...
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Die Corona-Krise trifft den Welthandel ins Mark. Die Welthandelsorganisation geht von einem dramatischen Rückgang von 13 bis 32 Prozent für 2020 aus. Damit dürfte der Handelseinbruch in der Folge der Finanzkrise übertroffen werden – und dies möglicherweise sehr deutlich.
Die Corona-Krise ist für den internationalen Handel vor allem deswegen gravierender, weil zum globalen Nachfragerückgang ein Angebotsschock in Form von unterbrochenen Lieferketten dazukommt. Seit der Finanzkrise befindet sich der Handel allerdings generell in einer Transformationsphase.
In der letzten Dekade ist er vor allem von zwei strukturellen Trends gekennzeichnet. Erstens hat der wichtigste Faktor, der den Handel vor der Finanzkrise antrieb - der Aufbau globaler Lieferketten – an Dynamik verloren und stagniert. Zweitens, der oft übersehene und nicht erfasste Dienstleistungsbereich ist zum wichtigsten Wachstumsträger avanciert.
Dies wird vor allem durch seine zunehmende Digitalisierung, aber auch durch neue Konsummuster und wirtschaftlichen Strukturwandel begünstigt. Die Corona-Krise dürfte deshalb für die Struktur des Welthandels vor allem den Effekt haben, diesen Transformationsprozess noch einmal deutlich zu beschleunigen.
Die Entwicklung der Hyperglobalisierung
Der Welthandel war über die gesamte Nachkriegszeit hinweg einer der wichtigsten Treiber des globalen Wachstums. Die Wachstumsrate des Handels lag stets in etwa um das Doppelte über dem Zuwachs des globalen Bruttoinlandsproduktes. Damit nahm die Handelsintensität und die Verflechtung der Weltwirtschaft sehr dynamisch zu. Getrieben wurde dieses Wachstum in den letzten Jahrzehnten vor allem durch die Entstehung globaler Wertschöpfungsketten – ein Prozess, der von einigen Autoren als Hyperglobalisierung bezeichnet wird.
Dieser Trend setzte mit dem Fall der Mauer 1989 ein und beschleunigte sich bis zur Finanzkrise enorm. Treiber waren auf der einen Seite politische Entwicklungen, wie die Integration Osteuropas und vor allem Chinas in die Weltwirtschaft sowie Liberalisierungsmaßnahmen des Welthandels. Mindestens ebenso wichtig waren Fortschritt und Verbreitung der Informationstechnologie, die die grenzüberschreitende Koordination von Wertschöpfungsketten stark erleichterte.
Im Ergebnis führte dies dazu, dass heute der Austausch in globalen Lieferketten für zwei Drittel des Welthandels – und in einigen industriellen Sektoren sogar für über 80 Prozent des Handels – verantwortlich ist. Dies bedeutet, dass es im internationalen Handel immer weniger um den Austausch national produzierter Waren zwischen Ländern ging, wie es die klassische Handelstheorie beschreibt und wie das Thema politisch immer noch oft diskutiert wird.
Die Handelsmuster bewegten sich viel mehr in Richtung globale Produktion, die zwischen internationalen Standorten und verschiedenen Wertschöpfungsstufen aufgespalten wurde. China konnte durch diese neue Form der internationalen Arbeitsteilung zur Fabrikhalle der Welt werden.
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