Volkswirt Henning Vöpel
Warum Demokratie und Marktwirtschaft wieder mehr Optimismus brauchen
Henning Vöpel ist Direktor des Centrums für Europäische Politik. Foto: Centrum für Europäische Politik / Canva
Es ist Zeit für neue Ideen und eine progressive Ordnungspolitik: Henning Vöpel vom Centrum für Europäische Politik sagt, wie wir unsere Werte schützen, dabei aber trotzdem zukunftsfähige Visionen entwickeln können. Und welche Rolle Europa dabei spielt.
Ein Ruck müsse durch Deutschland gehen. Diese Forderung richtete im Jahr 1997 der damalige Bundespräsident Roman Herzog an das damals gerade erst seit sieben Jahren wiedervereinigte Land. Von Verkrustungen war die Rede, von einem Mentalitätswandel, der nötig sei, um den Herausforderungen der Globalisierung gewachsen zu sein. Das war nur wenige Jahre bevor der Economist vom „kranken Mann Europas“ sprach. Die „Agenda 2010“ von Kanzler Schröder brachte das Land damals wieder in die Spur zurück.
Wieder der kranke Mann Europas
Fast fünfundzwanzig Jahre und einen langen Aufschwung später wiederholt sich Geschichte. Wieder titelt der Economist von Deutschland als „krankem Mann“. Wieder hat sich hartnäckige Verkrustung gebildet. Die Bürokratie hat das Land fest im Griff, Mehltau liegt auf allem. Die Spätphase einer goldenen Ära des Wohlstands wird überall sichtbar – auf den Schienen und Straßen, in den Schulen und Krankenhäusern.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Ein Ruck müsse durch Deutschland gehen. Diese Forderung richtete im Jahr 1997 der damalige Bundespräsident Roman Herzog an das damals gerade erst seit sieben Jahren wiedervereinigte Land. Von Verkrustungen war die Rede, von einem Mentalitätswandel, der nötig sei, um den Herausforderungen der Globalisierung gewachsen zu sein. Das war nur wenige Jahre bevor der Economist vom „kranken Mann Europas“ sprach. Die „Agenda 2010“ von Kanzler Schröder brachte das Land damals wieder in die Spur zurück.
Wieder der kranke Mann Europas
Fast fünfundzwanzig Jahre und einen langen Aufschwung später wiederholt sich Geschichte. Wieder titelt der Economist von Deutschland als „krankem Mann“. Wieder hat sich hartnäckige Verkrustung gebildet. Die Bürokratie hat das Land fest im Griff, Mehltau liegt auf allem. Die Spätphase einer goldenen Ära des Wohlstands wird überall sichtbar – auf den Schienen und Straßen, in den Schulen und Krankenhäusern.
Inzwischen steht die Wirtschaft vor einem gefährlichen Kipppunkt. Eine ideologisch betriebene Energiewende bringt das Land an den Rand einer Deindustrialisierung. Auch die Demokratie scheint so gefährdet wie seit der Wiedervereinigung nicht. Der Verlust an Vertrauen in Politik und Institutionen befindet sich auf einem Rekordwert und hat – bis in ihre Mitte hinein – weite Teile der Gesellschaft erreicht. Gefährliche Bruchlinien spalten die Gesellschaft, sie verlaufen längst nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen Stadt und Land, zwischen Generationen und Milieus.
Die Krise des demokratischen Kapitalismus
Martin Wolf, Mitherausgeber und Kolumnist der Financial Times, hat in seinem jüngsten Buch die „Krise des demokratischen Kapitalismus“ eingehend beschrieben. Der einst stabile Zusammenhang zwischen Demokratie und Marktwirtschaft ist schwächer geworden. Das Parlament ist nicht mehr die Herzkammer der Demokratie, der Markt nicht mehr das Prinzip der Marktwirtschaft. Während die Lobby den Markt aushebelt, ziehen die NGOs in die Parlamente.
Was ist das Versprechen der Demokratie? Es ist nicht Gerechtigkeit, sondern politische Gleichheit und politische Freiheit. Was ist das Versprechen der Marktwirtschaft? Es ist nicht Wohlstand, sondern wirtschaftlicher Wettbewerb und wirtschaftliche Freiheit. Demokratie und Marktwirtschaft sind lediglich die beste Voraussetzung für, aber keine Garantie von Gerechtigkeit und Wohlstand.
Es ist wie bei einem Muskel: Wenn die politische und wirtschaftliche Freiheit nicht gelebt wird, verkümmern Demokratie und Marktwirtschaft. Ihr Versprechen existiert nicht als Recht und Anspruch, sondern vor allem als Pflicht und Verantwortung.
Demokratie und Marktwirtschaft sind gut darin, Fortschritt und Wohlstand zu bringen, weil sie die Politik und die Märkte zum konstruktiven Umgang mit der Realität zwingen. Diktaturen interessieren sich nicht sonderlich für die Realität. Nur mit Bezug zur Realität wird aus Visionen Fortschritt. Ohne Realitätsbezug werden Visionen zu Ideologien.
Realitätsverweigerung und Vermögensillusion
Doch genau mit dem Realitätsbezug hapert es derzeit. Die Politik will alles gleichzeitig: Gebäude sanieren, Windräder bauen, Verteidigungsausgaben erhöhen. Politik schüttet Probleme erst mit Geld zu, sorgt damit selbst für strukturelle Defizite, um schließlich die gestiegenen Preise großzügig zu subventionieren.
- Seite 1 − Was ist das Versprechen der Demokratie?
- Seite 2 − Die Wende zum Guten ist noch möglich
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