Finanzexperte Marshall Stocker
Demokratie und Geldanlage
Aktualisiert am 04.06.2021 - 14:31 Uhr
Marshall Stocker ist Portfoliomanager bei der Investmentgesellschaft Eaton Vance. Foto: Eaton Vance
Je besser die Demokratie, desto höher die Renditen, könnte man meinen. Doch weit gefehlt: Tatsächlich hat sich der Einfluss des Systems auf Wirtschaftspolitik und Investitionsbedingungen verändert. Das zeigt Marshall Stocker von der Investmentgesellschaft Eaton Vance in einer Länderanalyse.
Anhang 3: Anmerkungen zu anderen wissenschaftlichen Studien, die die Beziehung zwischen politischer und wirtschaftlicher Freiheit und Wirtschaftswachstum untersuchen (Stand: September 2020)
Die empirische Untersuchung der Beziehung zwischen Demokratie und wirtschaftlicher Entwicklung begann mit einer Untersuchung der Beziehung zwischen Demokratie und Wirtschaftswachstum, ohne Betrachtung der wirtschaftlichen Freiheit. Przeworski und Limongi (1993) sowie De Haan und Siermann (1996) haben Literaturübersichten über den Einfluss der Demokratisierung auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes erstellt. Laut De Haan und Siermann...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Anhang 3: Anmerkungen zu anderen wissenschaftlichen Studien, die die Beziehung zwischen politischer und wirtschaftlicher Freiheit und Wirtschaftswachstum untersuchen (Stand: September 2020)
Die empirische Untersuchung der Beziehung zwischen Demokratie und wirtschaftlicher Entwicklung begann mit einer Untersuchung der Beziehung zwischen Demokratie und Wirtschaftswachstum, ohne Betrachtung der wirtschaftlichen Freiheit. Przeworski und Limongi (1993) sowie De Haan und Siermann (1996) haben Literaturübersichten über den Einfluss der Demokratisierung auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes erstellt. Laut De Haan und Siermann ist die Beziehung zwischen Demokratie und Wirtschaftswachstum kompliziert oder irrelevant. Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass Demokratie keinen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum hat.
Ähnlich enttäuschend ist die Studie von Przeworski und Limongi (1993), die lapidar zu dem Schluss kommen, es sei nicht klar, ob Demokratie das Wachstum fördert oder behindert (Seite 64). Barro (1996) hilft mit einer nuancierteren Einschätzung, indem er eine nichtlineare Beziehung zwischen Demokratie und Wachstum feststellt. Ausgehend von einem autokratischen Staat hält er zunächst höheres Wachstum durch mehr politische Freiheit für wahrscheinlich; dieser Effekt lässt jedoch nach, sobald die Demokratie ein bestimmtes Niveau erreicht hat.
Doch Barro geht noch weiter: Sobald ein gewisses Maß an politischer Freiheit erreicht ist, behindert eine weitere Stärkung der Demokratie das Wachstum, da die Umverteilung von Ressourcen zunimmt. Nachdem Barro (1996) das Konzept einer nichtlinearen Beziehung zwischen politischer und wirtschaftlicher Freiheit eingeführt hatte, verstummte die Forschung weitgehend und behandelte die Variablen für politische Institutionen stattdessen als linear, ohne Rücksicht auf den Grad wirtschaftlicher Freiheit eines Landes.
De Haan und Sturm (2003) gehen über den Einfluss der Demokratie auf das Wirtschaftswachstum hinaus und untersuchen die Bedeutung politischer Freiheit für eine Zunahme an wirtschaftlicher Freiheit. Für den Zeitraum von 1975 bis 1990 konnten die Forscher eine Korrelation zwischen politischer und wachsender wirtschaftlicher Freiheit feststellen.
Berggren (2003) weist auf die Wechselwirkung zwischen politischer Freiheit und wirtschaftlicher Freiheit hin. Er findet in der Literatur Hinweise darauf, dass ein hohes Maß an wirtschaftlicher Freiheit mit politischer Freiheit einhergeht.
Dawson (2003) ist unzufrieden mit der theoretischen Beschreibung der Zusammenhänge zwischen verschiedenen Formen von Freiheit und erklärt in seiner Kausalitätsstudie, dass „derzeit keine Theorie existiert, die ausreichende Erklärungen für die möglichen Verbindungen, sofern es diese überhaupt gibt, zwischen politischen, zivilen und wirtschaftlichen Institutionen liefert“ (Seite 491). Dazu stellt er die Ergebnisse eines GrangerKausalitätstests auf Grundlage eines länderübergreifenden Datensatzes vor und kommt zu dem Schluss, dass politische und individuelle Freiheit für wirtschaftliche Freiheit Grangerkausal ist. Eine weniger umfangreiche Untersuchung von De Haan und Sturm (2003) von 26 Transformationsländern bestätigt dieses Ergebnis.
Lundström (2005) untersucht die Beziehung zwischen Demokratie und wirtschaftlicher Freiheit in Entwicklungsländern und kommt zu dem Ergebnis, dass die wirtschaftliche Freiheit in Demokratien größer ist. Chauffour (2011) beschreibt einen Zielkonflikt zwischen (wirtschaftlicher) Freiheit und Ansprüchen; möglicherweise ist dieser Mechanismus der Grund dafür, dass die Mehrheitsregel zu suboptimalen (wirtschaftlichen) Ergebnissen führt. Wie eine demokratische Mehrheit die wirtschaftliche Freiheit einschränkt, illustriert Chauffour an dem Beispiel einer enteignungsgleichen Besteuerung zur Finanzierung von Ansprüchen.
Laut Holcombe (2019) führt jede politische Entscheidung, die nicht einstimmig getroffen wird, zur Verletzung der Freiheit einer Gruppe; eine einfache Mehrheit begrenzt die Freiheiten der Minderheit. Chauffour (2011) zitiert auch andere Forscher, die auf wachstumshemmende Aspekte der Demokratie hingewiesen haben. Aus seinen ökonometrischen Tests zieht er den Schluss, dass der Einfluss des Staates auf das Wirtschaftswachstum unklar ist. Durch eine Beschränkung auf die Kernfunktionen der Regierungsverantwortung, was den Schutz von Bürgerrechten und die Versorgung mit wesentlichen öffentlichen Gütern einschließt, kann der Staat das Wirtschaftswachstum fördern. Wächst er jedoch über diese Kernfunktionen hinaus, mindert er das Wachstum.
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