Finanzexperte Marshall Stocker
Demokratie und Geldanlage
Aktualisiert am 04.06.2021 - 14:31 Uhr
Marshall Stocker ist Portfoliomanager bei der Investmentgesellschaft Eaton Vance. Foto: Eaton Vance
Je besser die Demokratie, desto höher die Renditen, könnte man meinen. Doch weit gefehlt: Tatsächlich hat sich der Einfluss des Systems auf Wirtschaftspolitik und Investitionsbedingungen verändert. Das zeigt Marshall Stocker von der Investmentgesellschaft Eaton Vance in einer Länderanalyse.
Die empirischen Ergebnisse von Stocker (2016) deuten auf einen zwiespältigen Einfluss der Demokratie hin, sofern man nach dem Ausgangsniveau der wirtschaftlichen Freiheit eines Landes differenziert. Er kommt zu dem Ergebnis, dass „Autokraten die wirtschaftliche Freiheit in armen Ländern verletzen und die wirtschaftliche Freiheit in reichen Ländern erhöhen, was darauf hindeutet, dass (demokratische) Gesetzgeber reicher Länder eine Politik bevorzugen, die die wirtschaftliche Freiheit verringert“ (Seite 259).
Später untersuchten March, Lyford und Powell (2017), ob die Variablen für wirtschaftliche Freiheit in Ländern mit hoher wirtschaftlicher Freiheit im Vergleich zu Ländern...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die empirischen Ergebnisse von Stocker (2016) deuten auf einen zwiespältigen Einfluss der Demokratie hin, sofern man nach dem Ausgangsniveau der wirtschaftlichen Freiheit eines Landes differenziert. Er kommt zu dem Ergebnis, dass „Autokraten die wirtschaftliche Freiheit in armen Ländern verletzen und die wirtschaftliche Freiheit in reichen Ländern erhöhen, was darauf hindeutet, dass (demokratische) Gesetzgeber reicher Länder eine Politik bevorzugen, die die wirtschaftliche Freiheit verringert“ (Seite 259).
Später untersuchten March, Lyford und Powell (2017), ob die Variablen für wirtschaftliche Freiheit in Ländern mit hoher wirtschaftlicher Freiheit im Vergleich zu Ländern mit niedriger wirtschaftlicher Freiheit die entgegengesetzte Wirkung haben könnten. Wie sie jedoch feststellten, hatte eine Variable für die Machtbegrenzung der Exekutive in keinem der untersuchten Länder signifikanten Einfluss. Daher verzichteten sie auf einen Test des dichotomen Einflusses einer Variable für politische Institutionen auf zwei separate Gruppen, deren Länderkomponenten nach hohem bzw. niedrigen Ausgangsniveau und anschließenden Veränderungen in ihrer wirtschaftlichen Freiheit eingeteilt waren. So kommen March, Lyford und Powell zu dem Schluss, dass „wir wenig darüber wissen, warum Länder mit hohem Ausgangsniveau ihre wirtschaftliche Freiheit ausbauen oder begrenzen“ (Seite 94).
Murphy (2018) berücksichtigt den nichtlinearen Einfluss der Demokratie auf die wirtschaftliche Freiheit, indem er eine Variable für politische Institution in einen Vektor von Dummy-Variablen umwandelt. Er untersucht die Hypothese, dass eine annähernd perfekte Demokratie die wirtschaftliche Freiheit eines Landes maximiert, findet jedoch keine eindeutigen Belege dafür, dass eine vollständig oder unvollständig demokratische Ordnung für die Erlangung wirtschaftlicher Freiheit überlegen ist. Murphy (2018) verzichtet jedoch auf die Untersuchung einer Teilmenge von Ländern mit hoher wirtschaftlicher Freiheit.
Murphy (2019) erweitert sein Modell, indem er eine mögliche linke oder rechte Ausrichtung einer Demokratie berücksichtigt, welche den Einfluss der Demokratie auf Veränderungen in der wirtschaftlichen Freiheit eines Landes komplexer machen könnte. Für rechtsgerichtete Regierungen konnte er einen moderat positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Freiheit nachweisen, besonders robust ist der Effekt jedoch nicht.
Daraus zieht Murphy den Schluss, dass Ideologie in Analysen wie der hier vorgestellten nicht berücksichtigt werden muss. Bisherige Studien legen den Schluss nahe, dass Länder mit hoher wirtschaftlicher Freiheit mit größerer Wahrscheinlichkeit auch politische Freiheit haben, also Demokratien sind. Ebenso scheint die wirtschaftliche Freiheit in Ländern mit politischer Freiheit eher zuzunehmen; wie jedoch Barro (1996) anmerkt, kann Demokratie auch die Umverteilung beschleunigen, was tautologisch eine Abnahme an wirtschaftlicher Freiheit bedeutet.
Da sich jedoch ein Großteil der Literatur auf Entwicklungsländer konzentriert, ist eine Schlüsselfrage der Wissenschaft weitestgehend unbeantwortet geblieben: Welche Rolle spielt die Demokratie für den Erhalt bzw. für Veränderungen der wirtschaftlichen Freiheit in Ländern, die bereits ein hohes Maß an wirtschaftlicher Freiheit erreicht haben? Das von Stocker verfasste Eaton Vance-White Paper „Der ambivalente Einfluss der Demokratie auf Wirtschaftspolitik und Anlageergebnisse“ (2020) will diesen Mangel zu beheben. Die Studie berücksichtigt die Tatsache, dass Demokratie in Ländern mit hoher bzw. niedriger wirtschaftlicher Freiheit nicht die gleiche Wirkung hat, wenn politische Institutionen maßgeblich für Veränderungen der wirtschaftlichen Freiheit sind.
Stocker untersucht unter anderem den potenziell schädlichen Einfluss der Demokratie in Ländern mit hoher wirtschaftlicher Freiheit (in denen eine Mehrheit dazu neigt, Einkommen umzuverteilen und damit die wirtschaftliche Freiheit zu begrenzen).
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