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Investment-Experte rät Trendwende voraus: Anleger sollten den US-Dollar im Auge behalten

Dollar-Scheine
Dollar-Scheine: Als „sicherer Hafen“ war die US-Währung stark übergewichtet, sagt Elliot Hentov. | Foto: Imago Images / Manfred Segerer

2022 war ein äußerst schwieriges Jahr. Die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere und Aktien wurden durch hohe Renditen hier und steigende Wachstumsrisiken dort hart getroffen. Größtenteils sind diese auf die anhaltend hohe Inflation, eine fast rekordverdächtige Straffung der Geldpolitik, geopolitische Unsicherheit und die Auswirkungen von Covid (insbesondere in China) zurückzuführen.

Nach einem Jahrzehnt starker Outperformance haben die US-Aktienmärkte die Industrieländer und Schwellenmärkte auch 2022 überholt: Der MSCI USA Index hat den MSCI ACWI ex USA Index seit Jahresbeginn um 1,5 Prozent geschlagen. Trotz dieser Herausforderungen sehen wir auch Anzeichen für einen bevorstehenden Wandel. Lässt man die Auswirkungen des steigenden US-Dollar außer Acht, so hat der MSCI ACWI ex USA Index den MSCI USA Index seit Jahresbeginn in lokalen Währungen sogar übertroffen. Dies ist für Anleger besonders wichtig, da wir davon ausgehen, dass der US-Dollar eine Kursumkehr erfährt und 2023 zu fallen beginnt.

Als „sicherer Hafen“: US-Dollar war überwertet

Der US-Dollar war durch eine Kombination aus steigenden relativen Renditen und seiner Anziehungskraft als sicherer Hafen in einer turbulenten Zeit überbewertet worden. Kurzfristig dürften die hohen Erträge und das steigende Rezessionsrisiko den Dollar weiter stützen und uns in einer defensiven Haltung, das heißt einer Untergewichtung von Aktien, verharren lassen. Mit Blick auf das Jahr 2023 erwarten wir jedoch eine allmähliche Veränderung dieses Wirtschaftssystems.  

Einer der Hauptfaktoren für diesen Wandel ist der Übergang von der Inflation zur Disinflation und die Verlagerung der Politik der Zentralbanken auf Wachstum. Dieser Wandel dürfte zu niedrigeren Renditen führen und so das Vertrauen in eine Stabilisierung und schließlich Erholung des weltweiten Aufschwungs stärken. Mit anderen Worten: Steigende Renditen und das Rezessionsrisiko, die beiden wichtigsten Stützen für den US-Dollar, dürften nachlassen und den Dollar auf einen niedrigen Stand bringen. Insbesondere Nicht-US-Aktien würde so ein Weg für eine breite Rally bei Risikoanlagen geebnet.

 

Ein entscheidendes Merkmal der US-Dollar-Stärke ist seine Attraktivität als sicherer Hafen in Zeiten erhöhter geopolitischer Risiken. Solche Risiken haben die Wirtschaftsleistung außerhalb der USA, vor allem in Europa und China, im Jahr 2022 belastet. Die „Ergebniswahrscheinlichkeit“ spricht für die Schaffung eines verbesserten Umfelds, in dem das Wachstum außerhalb der USA den Abstand zum US-Wachstum verringert. In Europa hat der Russland-Ukraine-Krieg zu einem regelrechten Stagflationsschock im Energiebereich geführt. Dieser wird sich unserer Meinung nach bis ins Jahr 2023 hinein fortsetzen. Allerdings haben die Märkte den Krieg bereits weitgehend einkalkuliert.

Makroökonomische Schocks haben wenig Einfluss auf die Kurse

Künftig werden marginale negative Schocks die Kurse weniger beeinträchtigen als der anhaltende geopolitische Status quo oder sogar eine Deeskalation. Es wäre naiv, Risiken wie den Einsatz von Atomwaffen, neue humanitäre Katastrophen oder Sabotage der europäischen Energieinfrastruktur zu ignorieren. Die Wahrscheinlichkeit zusätzlicher bedeutender makroökonomischer Schocks nimmt dennoch weiter ab. Während die Wahrnehmung zunehmender „Tail-Risks“ mit dem ukrainischen Erfolg auf dem Schlachtfeld steigen mag, dient die Rückeroberung der von Russland gehaltenen Gebiete durch die Ukraine auch dazu, den Konflikt einem Endspiel- oder Stabilisierungsszenario näher zu bringen.

Die chinesische Null-Covid-Politik hat das Wachstum im Jahr 2022 gebremst. China wird die Beschränkungen im Laufe des Jahres 2023 mit ziemlicher Sicherheit lockern – wobei das Ausmaß und die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Auswirkungen noch nicht abzusehen sind. Diese Lockerung wird das chinesische Wachstum im Vergleich zu 2022 mit Sicherheit ankurbeln und damit auch dazu beitragen, den Abstand zum Wachstum außerhalb der USA zu verringern.

Wir sind der Ansicht, dass verstärkte geopolitische Auswirkungen der Spannungen zwischen den USA und China erst dann zu erwarten sind, wenn China seine wirtschaftlichen Bedingungen vollständig normalisiert hat. Die kurzfristigen Aussichten sind also auch in dieser Hinsicht ermutigend.

Leichter Aufschwung bei Aktien zu erwarten

Wir betrachten die Aussichten für Aktien durch die folgenden Hauptaspekte: Fundamentaldaten, Bewertungen und Positionierung. Die Fundamentaldaten waren 2022 weltweit angespannt. Wir gehen davon aus, dass sich dies auch 2023 fortsetzen wird. Die globalen Aussichten (China ausgeschlossen) zeigen fast überall eine Verlangsamung, was darauf hindeutet, dass wir nach einem eher schwachen Jahr 2022 nur einen leichten Aufschwung der Erträge im Jahr 2023 erleben werden.

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Die Erträge in den USA haben sich 2022 leicht verbessert, dürften aber durch den stark steigenden US-Dollar erheblichen Gegenwind erfahren. Wir erwarten, dass keine der großen Aktienregionen 2023 mehr als ein mittleres einstelliges Gewinnwachstum pro Aktie (EPS) erzielen wird. Der klare Vorteil, den die USA beim EPS-Wachstum hatten, könnte nun in Frage gestellt werden.  

Die Bewertungen von Nicht-US-Aktien liegen auf einem durchschnittlichen Niveau, während US-Vermögenswerte weiterhin relativ überbewertet sind. Sowohl die Schwellenländer als auch die Nicht-US-Industrieländer werden ziemlich nahe an ihren langfristigen Durchschnittswerten gehandelt, sind aber im Vergleich zu US-Aktien nach wie vor relativ preiswert. In der Vergangenheit haben attraktive Kursniveaus allein nicht ausgereicht, um angesichts des hohen Rentabilitätsgefälles und des Innovationsvorsprungs der US-Unternehmen erhebliche Kapitalströme anzuziehen. Wären die Bewertungsniveaus im Vergleich zur Vergangenheit sehr günstig, würden einige Anleger Engagements eingehen, die sie in Erwartung künftiger Verbesserungen gerne halten würden. Auf der anderen Seite werden steigende Zinssätze wahrscheinlich einen Bewertungsdruck auf Anlagen mit langer Laufzeit ausüben, von denen es in den USA viele gibt.  

Die Positionierung ist ein entscheidender Bereich, in dem wir bei nicht-amerikanischen Vermögenswerten ein Aufwärtspotenzial sehen. Andere globale Volkswirtschaften sind bedeutende langfristige Investoren in auf US-Dollar lautende Vermögenswerte. Institutionelle Eigentümer haben die höchste Übergewichtung in den USA seit etwa 25 Jahren (siehe Abbildung 1). Im Gegensatz dazu sind institutionelle Anleger in den Schwellenländern in einem ähnlichen Zeitraum stark untergewichtet (siehe Abbildung 2).

Wird sich dieser Trend langfristig fortsetzen? Unserer Ansicht nach lautet die Antwort vermutlich nein.  Für eine Umkehr ist eine Art Katalysator erforderlich, der die Anleger dazu veranlasst, Positionen außerhalb der als sicherer Hafen geltenden US-Währung einzugehen. Historisch gesehen ist die Positionierung auf diesen Niveaus nicht lange so einseitig geblieben - es wird sich etwas bewegen. Auch wenn der Zeitpunkt eines Katalysators ungewiss ist, halten wir eine gewisse Neupositionierung mittelfristig für sehr sinnvoll. Es ist jetzt an der Zeit, seine Geschäfte vorzubereiten.   

Abbildung 1: Übergewicht der institutionellen Eigentümer in US-Dollar-Vermögenswerten

Abbildung 1
Übergewicht der institutionellen Eigentümer in USD-Vermögenswerten
Indikator für Aktienbestände in den Vereinigten Staaten (übermäßige Portfoliogewichte); Quelle: State Street Global Advisors

 

Abbildung 2: Untergewichtung institutioneller Eigentümer in EM-Anlagen

Abbildung 2
Untergewichtung institutioneller Eigentümer in EM-Anlagen
Indikator für Aktienbestände in Schwellenländern (übermäßige Portfoliogewichte); Quelle: State Street Global Advisors

Die wichtigsten Erkenntnisse für Anleger

  • Der starke US-Dollar wirkte sich als Gegenwind für internationale Aktien aus und traf die Schwellenländer am stärksten.
  • Der US-Dollar fällt von seinem historischen Höchststand und deutet damit auf eine Trendwende hin, die bereits im vollen Gange ist.
  • Mit einem verstärkten Engagement in Wertpapieren außerhalb der USA könnte die Outperformance von Wertpapieren ein Rückenwind für Nicht-US-Aktien sein.

 


Über den Autor:
Elliot Hentov ist Leiter der makropolitischen Forschung bei State Street Global Advisors.

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