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Aktualisiert am 28.10.2010 - 15:45 UhrLesedauer: 10 Minuten

Der 6. Kondratieff – Wohlstand in langen Wellen (Teil 1)

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Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass alle vier genannten Kriterien, die den Prozess einer Neuorientierung der Wirtschaft markieren, auf die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise zuzutreffen scheinen: • Der Produktivitätsschub der Informationstechnik, die 1941 mit der Erfindung des Computers „Z3“ durch Konrad Zuse ihren Ursprung hatte, scheint langsam auszuklingen. Ein noch schnelleres Notebook beispielsweise macht die Arbeitsprozesse nicht mehr sehr viel produktiver. Der Feldzug des Internets ist bereits weit vorangeschritten.
• Ebenso war die Wirtschaft bis 2007, vor dem Ausbruch der Finanzkrise, von einem Überschuss an Finanzkapital geprägt. Mit der Expansion der Kredit-(Derivate-)Wirtschaft traf zu viel Geld auf zu wenig Realwirtschaft. Mit der Dominanz des Finanz- über das Sachkapital (Summe der Betriebsmittel) suchten Anleger auf ihrer Renditejagd nach Anlagealternativen, die sie größtenteils in kreditfinanzierten US-Immobilien oder in Finanzderivaten fanden.
• Die Folge war eine Finanzkrise, die in eine Weltwirtschaftskrise mündete, wie wir sie seit 1930 nicht mehr erlebt haben. Der 9. März 2009 war für Anleger ein historischer Tag – im negativen Sinne. An diesem Tag markierten US-amerikanische Aktien nicht nur das Kurstief des S&P 500, sondern gleichzeitig fiel die 10-Jahres-Performance des USAktienindex mit einer durchschnittlichen Rendite von -8 % p. a. auf das niedrigste Niveau seit 200 Jahren (siehe Schaubild 1). • Und schließlich wird derzeit an einer globalen ordnungspolitischen Finanzarchitektur gebastelt, die das Fundament für ein nachhaltiges Wirtschafts- und Finanzsystem bilden soll. Die jüngste Finanzkrise könnte eine Phase des Umbruchs markieren, wie sie Kondratieff charakterisiert hat. Der 6. Kondratieffzyklus hat vermutlich bereits begonnen, nur die Haupt- und Nebenrollen sind noch nicht vergeben. Wie geht es also weiter? Welche Trends könnten den nächsten, den 6. Kondratieffzyklus prägen?
Und was bestimmt unser Leben im 21. Jahrhundert, wofür das Fundament heute gelegt wird? Zeitreise in die Zukunft – mit den Trends von morgen Auf der Suche nach der Kraftquelle des neuen 6. Kondratieffzyklus finden sich gleich zwei Impulsgeber: 1. Zukünftige Megatrends, die zu Nachfrageverschiebungen führen, wie Globalisierung und Demografie.
2. Trends bzw. Innovationen, die die Angebotsstruktur in der Wirtschaft verändern, wie Umwelttechnologie, Bio- und Nanotechnologie oder „ganzheitliche Gesundheit“. Voraussetzung: Diese so genannten Megatrends bzw. Basisinnovationen haben das Potenzial zu einer ökonomischen, politischen sowie gesamtgesellschaftlichen Einflussnahme und können gleichzeitig neue Produktivitätsschübe in mehreren Wirtschaftsbereichen auslösen. Globalisierung und Demografie: Beschleuniger des Wandels Zwei Aspiranten für eine Hauptrolle im nächsten langen Wirtschaftszyklus scheinen bereits identifiziert zu sein: Globalisierung und demografischer Wandel. Durch sie sind vor allem globale Nachfrageverschiebungen zu erwarten. Ihre Wirkung besteht bereits seit längerer Zeit, ihre volle Tragweite dürften sie aber erst in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entfalten. Mit dem Wegfall technologischer Schranken durch das Internet hat die Globalisierung eine neue Qualitätsstufe erreicht. Nicht nur Waren können per Knopfdruck auf jedem Fleck der Erde angeboten werden, vielmehr erlaubt das Internet nun auch den Export von Dienstleistungen.
So ist der Welthandel seit 1987 im Volumen um das 4-Fache gestiegen, obwohl sich die globale Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) im gleichen Zeitraum lediglich verdoppelt hat. Während sich die Erde immer stärker vernetzt, ist jedoch demografisch betrachtet eine zunehmende Zweiteilung der Welt erkennbar (siehe Schaubild 2). Zwar wird die Weltbevölkerung bis 2050 um rund 40 % auf über 9 Mrd. Menschen anwachsen. Doch in der einen Hälfte der Welt, in den Industriestaaten wie Europa und Japan, wird die Bevölkerung schrumpfen und immer älter. Und in der anderen Hälfte, vorwiegend in den Schwellenländern, wird die Bevölkerung weiter wachsen und vergleichsweise jung bleiben.
Aus diesen beiden Megatrends dürften sich in Zukunft zwei weitere langfristige Entwicklungen ableiten: die Verlagerung des Gravitationszentrums nach Asien sowie der Weg der Industriestaaten hin zu einer Wissensökonomie. Asien – das Gravitationszentrum des 21. Jahrhunderts Im Zuge der voranschreitenden Globalisierung und des weltweiten Bevölkerungswachstums scheint sich das Gravitationszentrum des 21. Jahrhunderts zunehmend nach Asien zu verlagern.
Asien stellt mit fast 4 Mrd. Menschen nicht nur rund 60 % der Weltbevölkerung, sondern verfügt auch über knapp 40% aller Devisenreserven und erwirtschaftet mittlerweile rund 34 % der globalen kaufkraftadjustierten Wertschöpfung (siehe Schaubild 3). Nach Schätzungen der Asian Development Bank wird der Anteil Asiens an der Weltwirtschaftsleistung 2050 etwa 50 % ausmachen und China wird diesbezüglich vermutlich die USA und Europa überholt haben. Die Schwellenländer scheinen – noch mitten im 5. Kondratieffzyklus – sich die Produktivitätsreserven der Informationstechnik zu erschließen. Ein Indiz dafür: In Indien oder China besitzen lediglich 3 bzw. 5 von 100 Einwohnern einen PC und nur 7 bzw. 22 einen Internetzugang. In westlichen Ländern, wie den USA oder Deutschland, liegt die Penetrationsrate von PCs bei 80 bzw. 69 bezogen auf 100 Einwohner und bei 71 bzw. 76 für Internetzugänge (siehe Schaubild). Mit zunehmendem Wohlstandswachstum – die Weltbank schätzt in einer Studie, dass bis 2030 China und Indien rund 44 % der globalen Mittelschicht stellen werden – dürfte sich diese Schere langsam schließen. Die Weltbank geht davon aus, dass die Länder mit niedrigem Einkommen in den nächsten Jahrzehnten doppelt so schnell wachsen wie die Länder mit hohem Einkommen. Die Folge: Der Rohstoffbedarf der Schwellenländer steigt nicht nur durch die quantitativ steigende Weltbevölkerung, es kommt auch zu einem „qualitativen“ Wachstum. Das heißt, mit höherem Wohlstand wird der Konsum rohstoffintensiver.