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BGH-Urteil Der D&O-Versicherer muss doch zahlen

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Dem widersprach der BGH. Der Bundesgerichtshof sollte beurteilen, ob die Bezeichnung Schadensersatz auch den Anspruch aus der Geschäftsführerhaftung gemäß Paragraf 64 I GmbHG erfasst.

Schadensersatz ist kein gesetzlich bestimmter Begriff. Er bezeichnet vielmehr umgangssprachlich den Ausgleich eines erlittenen Schadens. Nun sind Versicherungsbedingungen stets so auszulegen, wie sie der durchschnittliche Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung verstehen muss. Dies ist verkehrskreisbezogen zu verstehen – es zählen also die typischen Erwartungen des gewöhnlichen Kundenkreises.

Das OLG Düsseldorf hatte entschieden: Der Paragraf 64 I GmbHG sei so zu verstehen, dass kein Schaden kompensiert werden soll. Vielmehr müsse die Vermögensmasse einer insolventen Gesellschaft für die Gemeinschaft von Insolvenzgläubigern gesichert werden. Ein Schadensausgleich findet nicht statt – demnach ist es auch kein versicherter Schadensersatzfall. So solle es der D&O-Versicherte verstehen.

BGH ist anderer Auffassung

Der BGH berichtigte diese Einschätzung: Die Einordnung als Ersatzanspruch eigener Art sei in diesem Fall zwar richtig. Dennoch entfalle deswegen nicht auch der Versicherungsschutz. Aus Sicht des Versicherungsnehmers ist es maßgeblich für den Inhalt des Versicherungsschutzes, dass der Zustand vor Tätigung einer pflichtwidrigen Zahlung wiederhergestellt wird. Wem dieser Anspruch zugutekommt, sei für den Versicherten nicht von Relevanz.

Die Erwartung der typischen D&O-Kunden gehe also dahin, dass die Vermögensinteressen der geschäftsführenden Organe durch die Versicherung geschützt sein sollten. Eine Unterscheidung zwischen gesetzlichen Haftpflichtansprüchen und Ansprüchen eigener Art spiele in den typischen Erwartungen der Versicherten keine Rolle – auch wegen der Komplexität dieser Unterscheidung. Eine solche Auslegung widerspreche daher den Auslegungsgrundsätzen für AVB, beschied der BGH.

Im vorliegenden Fall besteheVersicherungsschutz aus einer D&O-Versicherung für Ansprüche aus der Geschäftsführerhaftung gemäß Paragraf 64 I GmbHG, so der BGH (Urteil vom 18.11.2020 - IV ZR 217/19).

Fazit und Hinweis für die Praxis

Bei den Auslegungen von AVB sind immer auch die Erwartungen des durchschnittlichen Kundenkreises zu beachten. Insbesondere Führungskräfte sehen sich im Insolvenzfall häufig Ansprüchen ausgesetzt, die sich gegen sie persönlich richten. Gerade dann ist es besonders wichtig zu wissen, welches Verhalten vom Schutz einer D&O-Versicherung erfasst ist. Im Fall der Inanspruchnahme sollte stets ein Fachanwalt für Versicherungsrecht mit der Klärung betraut werden. Oftmals sind die Versicherungsbedingungen unklar formuliert und zugunsten der Versicherten auszulegen.


Über den Autor:
Björn Thorben M. Jöhnke, Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow, ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für Informationstechnologierecht. Die Kanzlei veranstaltet am 4. Februar 2021 einen digitalen Vermittler-Kongress, auf dem Themen des Versicherungs- und Vermittlerrechts zur Sprache kommen. Anmeldungen sind unter
www.vermittler-kongress.de möglich.

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