Nachhaltigkeitsexperte Jan Rabe
Noten für Nachhaltigkeit

Jan Rabe leitet das Nachhaltigkeitsbüro von Metzler Asset Management. Foto: Metzler AM
Anleger bewerten Nachhaltigkeit häufig anhand von ESG-Ratings. Welche Auswirkungen das auf den Wettbewerb zwischen Unternehmen bei der Finanzierung über Kapitalmärkte hat, erklärt Jan Rabe, Leiter des Nachhaltigkeitsbüros von Metzler Asset Management.
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Eine nähere Betrachtung des Index MSCI Europa zeigt, dass in erster Linie das aggregierte (industriespezifische) ESG-Rating die stärksten und stabilsten Überschussrenditen lieferte – und nicht die Kategorien Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung für sich betrachtet (Abbildung 4). Seit 2007 hätte die Differenzierung nach dem aggregierten ESG-Rating gut 10 Prozentpunkte per annum gebracht.
Ein Blick auf die Ergebnisse der einzelnen ESG-Kategorien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung lohnt dennoch. Hier wird deutlich, dass vor allem eine Differenzierung nach Aspekten der guten Unternehmensführung am profitabelsten gewesen wäre; weit vor der Differenzierung nach allein sozialen oder ökologischen Gesichtspunkten.
Abbildung 4: EU-Aktien – Differenzierung nach einzelnen ESG-Kategorien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung
Bruttorenditen in Euro: Quantil 1 versus Quantil 5; Q1 2007 = 0
Quellen: MSCI ESG Research, Refinitiv (Alpha Testing), Metzler
Bemerkung: Es wird ein industriespezifisches ESG-Rating zugrunde gelegt. Die Berechnungen basieren auf einem monatlichen Rebalancing der Portfolios.
Die ESG-Überschussrendite der EU in Kennzahlen der Unternehmensbewertung übersetzt
Lässt sich diese Überschussrendite der als nachhaltig eingestuften Unternehmen durch die fundamentale Ertragskraft erklären, oder handelt es sich vielmehr um eine Überbewertung? Dies lässt sich mithilfe des Kernelements einer jeden Unternehmensbewertung beantworten: der Produktivität des Kapitals.7
Hierzu unterteilen wir das europäische Aktienuniversum zunächst auf Basis des Proxy-Faktors für nachhaltige Unternehmensführung – dem ESG-Rating – in Quantile. Die stärksten 20 Prozent der Titel repräsentieren hierbei Quantil 1 und die schwächsten 20 Prozent Quantil 5. Mithilfe eines „Long (Q1) – Short (Q5)“-Portfolios wird die relative Stärke einer solchen Differenzierung messbar.
So lässt sich zeigen, dass die Gruppe der unter ESG-Kriterien als vorbildlich bewerteten Titel des Universums von 2007 bis 2020 im Mittel eine Ein-Prozent-Punkt höhere Kapitalrendite erwirtschaftete (hellblaue Linie in Abbildung 5).
7 Erwirtschaftet ein Unternehmen Renditen auf das eigesetzte Kapital oberhalb der Kosten, die es zur Beschaffung der dafür erforderlichen Mittel aufbringen muss, wird ein ökonomischer Mehrwert geschaffen – das produktive Kapital. Gelingt dies nicht, erschwert dies über die Zeit die Refinanzierung und führt unweigerlich in den Bankrott – unproduktives Kapital.
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