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Der Euro schafft Distanz zu Russland Notenbank-Chef über die Euro-Einführung in Litauen

Wenige Tage vor der Euro-Einführung in Litauen zum 1. Januar begibt sich der oberste Notenbanker des südlichsten baltischen Staates im Gespräch mit Bloomberg News nach eigener Einschätzung auf dünnes Eis.

Er begründet diesen Ausflug mit dem russischen Vorgehen in der Ukraine: “Der Euro ist ein Instrument für eine tiefere europäische Integration”, sagt Vitas Vasiliauskas im Gespräch in der Hauptstadt Vilnius, “je näher wir dem Westen sind, desto weiter entfernt sind wir vom Osten”. Als Zentralbankpräsident sollte er sich eigentlich zu geopolitischen Fragen nicht öffentlich äußern, sagt Vasiliauskas, “aber so sind derzeit einfach die Fakten”.

Das Land mit seinen drei Millionen Einwohnern folgt mit Wirkung vom 1. Januar den beiden anderen baltischen Nachbarn Estland und Lettland in die Euro-Währungsunion und wird damit deren 19. Mitglied. Seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1990 hatte die Anbindung an den Westen noch nie eine größere Bedeutung für diese Staaten als in diesem Jahr. Im kommenden März feiert Litauen die 25-jährige Unabhängigkeit.

Spätestens seit dem eskalierten Konflikt in der Ukraine lässt Russland unmittelbar an den Grenzen der drei Nato- Mitglieder im Baltikum seine Muskeln mit vermehrten Militäraktivitäten spielen und erhöht die Spannung in den vormaligen Sowjetrepubliken. Der litauische Verteidigungsminister beklagt eine Rekordzahl von Abfängen russischer Militärflugzeuge durch NATO-Kräfte.

Vasiliauskas wird mit seinen 41 Jahren überdies der jüngste Notenbankchef in der Europäischen Union. Der frühere Wirtschaftsanwalt und vormalige Vize-Finanzminister gilt als Befürworter des harten Sparkurses seines Landes im Nachgang zur Finanzkrise 2009, als die Wirtschaft einen beispiellosen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von mehr als 15 Prozent zu verarbeiten hatte.

Jetzt rückt er auf in die Runde der Ratsmitglieder der Europäischen Zentralbank, die ihr Präsident Mario Draghi gerade zu einer weiteren Runde an Konjunkturmaßnahmen in Form großvolumiger Staatsanleihekäufe überreden will. Die Erfahrungen aus den Zeiten der harten wirtschaftlichen Einschnitte werden sicherlich seine Entscheidungen bei der EZB prägen, sagt Vasiliauskas.

Es sei aber zu früh, daraus Rückschlüsse über seine Positionen abzuleiten. Er sei sich aber im Klaren, dass sich sein Aufgabengebiet mit der Euro-Einführung verbreitert hat: “Es handelt sich um ein europäisches Mandat, kein litauisches, kein estnisches oder lettisches, und übrigens auch kein deutsches”, sagt er. Es sei “völlig klar”, dass es um die Eurozone als Ganzes gehe und damit um einen Wendepunkt beim geldpolitischen Denken.

Litauen kommt erst im zweiten Versuch in die Eurozone. Zwar hat Vasiliauskas das Land bereits als Finanzpolitiker 2004 auf den Eurokurs eingeschworen und die Landeswährung Litas in den ERM-2-Wechselkursmechanismus eingebunden. Zwei Jahre später folgte der Rückschlag, als die Inflation in Litauen den Zielwert um 0,1 Prozentpunkte übertraf. Die Europäische Kommission warnte vor weiteren Preissteigerungen, und Brüssel sollte Recht behalten: Im Jahr 2008 erreichte die Inflation mit 12,5 Prozent einen Rekordwert.

“Wir haben uns damals offensichtlich verkalkuliert”, sagt Vasiliauskas. “Versucht wurde ein Sprung in den Sattel eines galoppierenden Pferdes. Wir haben unsere Lektionen gelernt, die Krise überwunden und sind nun bereit, zu reiten”. Litauen sei inzwischen besser vorbereitet und verfüge über eine wesentlich stabilere ökonomische Grundlage.

„Die Probleme im Bankensystem sind gelöst“

Vasiliauskas hat in seiner Zeit beim Finanzministerium gleich zwei Banken abwickeln oder verkaufen müssen - die später verkaufte Bankas Snoras AB und die insolvente Ukio Bankas AB. “Die Probleme im litauischen Bankensystem sind gelöst”, sicherte er zu. Es handele sich mittlerweile um ein klares und transparentes System ohne versteckte Mängel.

Und mit der Aussicht auf die Euro-Einführung sind auch bereits internationale Investoren auf das Land aufmerksam geworden. Litauen platzierte am 22. Oktober mit zwölf Jahren Laufzeit und einem Volumen von einer Mrd. Euro seine bislang am längsten laufenden Staatsanleihe zu einer rekordniedrigen Rendite von 100 Basispunkten über dem Benchmark-Swapsatz.

Für das kommende Jahr stellt die litauische Notenbank ein Wirtschaftswachstum von 3,1 Prozent in Aussicht. Der Wert war angesichts von Deflationsrisiken in der Eurozone und der Rezessionsgefahr in Russland von zunächst 3,3 Prozent abgesenkt worden.

Gefahren lauern in diesen Tagen im litauischen Bewusstsein weniger auf Seiten der Wirtschaft als in Form der geopolitischen Lage. An insgesamt fünf Tagen in diesem Monat wurden die Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, weil eine erhöhte russische Militäraktivität unmittelbar an den Grenzen des Landes festgestellt wurde.

“Wir sind inzwischen nahezu zum Frontstaat geworden”, sagt Vasiliauskas, “alles, was uns an den Westen bindet, verbessert unsere Sicherheitslage”.

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