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"Der Euroraum rutscht in eine milde Rezession mit steigender Arbeitslosigkeit ab"

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2011 war ein Jahr, das Prognostikern Demut gelehrt haben sollte. Über weite Teile des Jahres wurden die Finanzmärkte weniger von fundamentalen Einflussfaktoren getrieben, als von Stimmungen und Stimmungsschwankungen, nicht selten ausgelöst durch politische (Fehl-) Entwicklungen. Ein Beobachter formulierte es so: „Wenn über Facebook verbreitete Dementis von Rückrittsgerüchten eines Ministerpräsidenten mehr Aufmerksamkeit erlangen als Fundamentalfaktoren, dann weißt Du, dass an den Märkten etwas schief läuft.“

Ausblick auf 2012: Auferstehung, Absturz oder irgendwas dazwischen?

Die nächste Prognose ist bekanntlich immer die schwerste. Derzeit ist vieles im Fluss, gerade in Sachen Schuldenkrise. Daher fußen die Prognosen nicht auf festem Grund, sondern noch mehr als sonst auf Treibsand. Aber auch wenn das Prognostizieren schwierig und zuweilen frustrierend ist, so bleibt es dennoch notwendig. An Finanzmärkten wird immer mit Blick auf die Zukunft gehandelt. Das erfordert Vorstellungen über die zukünftigen Ereignisse und Entwicklungen – Einschätzungen, die sich zwar als falsch erweisen können, die aber zumindest konsistent sein sollten. Allerdings werden auch zukünftig die „known unknowns“ – das sind die Ratten, von denen wir wissen, dass sie aus ihren Löchern kommen können – und vor allem die „unknown unknowns“ – die Ratten oder schwarzen Schwäne, die wir noch nicht kennen – Volkswirten und Finanzmarktakteuren das Leben schwer machen – und spannend zugleich.

Nach einem Jahr 2011 der Extreme, in dem der Euroraum in eine Sinnkrise gerutscht ist, die in eine Existenzkrise münden kann, gibt es für das kommende Jahr drei grundsätzliche Möglichkeiten:
a) Es wird deutlich besser, Konjunktur und Finanzmärkte fangen sich.
b) Es wird schlimmer, die Desintegration des Euroraums verschärft sich.
c) Ein Mittelding zwischen a) und b).

Wir verorten die Wahrheit zwischen den Extremen, also bei c). Die Gipfelbeschlüsse vom 8./9. Dezember können sich als geeignete Grundlage für eine künftig solidere Haushaltspolitik erweisen. Allerdings müssen den Worten nun viele Taten folgen. Unsere volkswirtschaftlichen Vorstellungen für 2012 haben wir in zehn Einschätzungen gebündelt. Die grundsätzlichen Vorstellungen sind dabei wichtiger als die genannten Zahlen.

Das Makroumfeld im kommenden Jahr – Zehn Einschätzungen für 2012

1.    Die Schuldenkrise wird auch im kommenden Jahr ein beherrschendes Thema sein. Schnelle Lösungen sind nicht in Sicht. Vielmehr wird die Bewältigung etliche Jahre in Anspruch nehmen.

2.    Unter der Voraussetzung, dass es im Euroraum nicht zu einer tiefen Rezession infolge eines missratenen Managements der Schuldenkrise kommt, dürfte die Weltwirtschaft mit einem Wachstum von rund 3 Prozent eine globale Rezession vermeiden.

3.    Wichtigste Stütze des globalen Wachstums werden die Emerging Markets sein. Dort wird es eine nach Ländern abgestufte, insgesamt moderate Verlangsamung geben, auf die in einigen Ländern mit Zinssenkungen und Konjunkturprogrammen reagiert wird.

4.    Der Euroraum rutscht in eine milde Rezession mit steigender Arbeitslosigkeit ab. Im Jahresverlauf fängt sich die Konjunktur, im Jahresdurchschnitt 2012 stagniert die Wirtschaftsleistung – bei erneut großen Unterschieden zwischen den Euro-Ländern.

5.    Die deutsche Wirtschaft hält sich in dem leicht rezessiven Umfeld aufgrund der weniger restriktiven Fiskalpolitik konjunkturell etwas besser als der Euroraum insgesamt und wächst leicht (um rund 0,5 Prozent).

6.    Eskaliert die Schuldenkrise, so wird die Rolle der Europäischen Zentralbank in der Kriseneindämmung deutlich an Gewicht gewinnen. EZB-Präsident Mario Draghi wird einer der entscheidenden wirtschaftspolitischen Akteure des kommenden Jahres sein.

7.    Die US-Wirtschaft wird stärker als die deutsche wachsen (um rund 2 Prozent), jedoch zu wenig, als dass es zu einem deutlichen Abbau der Arbeitslosigkeit käme.

8.    Die Leitzinsen in den großen Industrieländern bleiben nahe null.

9.    Die Renditen 10-jähriger Bundesanleihen steigen per saldo leicht an, bei kräftigen Schwankungen im Jahresverlauf.

10.    Die Inflation in den Industrieländern bleibt unter Kontrolle, auch weil viele Rohstoffpreise sinken; Sorgen vor künftig hoher Inflation werden dennoch weiter köcheln.

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