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„Der Exportüberschuss ist Deutschlands Altersvorsorge“

Chefvolkswirt Martin Hüfner
Chefvolkswirt Martin Hüfner
Den Deutschen steht neuer Ärger ins Haus. In der vergangenen Woche wurden die Zahlen für die Leistungsbilanz im Jahr 2012 veröffentlicht. Danach hat Deutschland mit einem Überschuss von 6,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts die von der EU gerade noch als zulässig angesehene Schwelle von 6 Prozent erneut überschritten.

Jetzt werden sich wieder viele den Mund zerreißen und von Deutschland mehr Anstrengungen zur Förderung der Binnennachfrage fordern. Umgekehrt wird Deutschland darauf verweisen, was es alles zur Ankurbelung der Binnennachfrage tut.

Nicht die Überschussländer (= „die Starken“) sollten sich anpassen, wird es wieder heißen. Vielmehr sollten umgekehrt die Defizitländer (= „die Schwachen“) ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Dabei entspricht jedem Überschuss ex definitione ein Defizit. Insgesamt eine Never Ending Story.

Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir uns etwas Neues einfallen lassen.  Die Grafik zeigt, dass Deutschland in den vergangenen 30 Jahren stets einen Überschuss in der Leistungsbilanz hatte, bis auf zwei Sondersituationen: In der Ölpreiskrise in den 1970er/1980er Jahren und in der Zeit nach der Wiedervereinigung in den 1990er Jahren.

Es sieht so aus, als habe Deutschland eine „angeborene“ Disposition für solche Überschüsse. Es schafft es einfach nicht, sie zu verringern, auch nicht durch etwas höhere Lohnsteigerungen wie im vergangenen Jahr.  

Ist das schlimm?

Nein. Die Behauptung, dass ein Land  a priori eine ausgeglichene Leistungsbilanz haben sollte, ist reine „Voodoo Economics“. Sie hat keinerlei theoretische Rechtfertigung.

Keiner verlangt in einem Nationalstaat, dass jede Region eine ausgeglichene Leistungsbilanz haben soll. In Deutschland beispielsweise hat der Bayerische Wald ein Riesendefizit gegenüber München. Niemand nimmt davon Notiz. Die meisten wissen es noch nicht einmal.

Nur die Fehlbeträge, die die neuen Bundesländer gegenüber den alten haben, sind so groß, dass sie als auf Dauer nicht tragbar empfunden werden. Warum soll dann nicht auch Italien ein Defizit gegenüber Deutschland haben?  

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Bei Gründung der Währungsunion ging die EZB davon aus, dass sie wie ein nationaler Binnenmarkt funktionieren würde. Sie war daher überzeugt, dass auf Dauer niemand etwaige Leistungsbilanzsalden zwischen den Ländern zur Kenntnis nehmen würde. Daher hat sie in ihren guten und umfangreichen Statistiken bis heute keine Zahlen zu den Leistungsbilanzen einzelner Mitgliedsländer.

Natürlich hat ein Leistungsbilanzsaldo für eine Region Vor- und Nachteile. Positiv ist beispielsweise, dass eine Zunahme des Saldos das Wirtschaftswachstum erhöht. Negativ ist, dass das Überschussland eigentlich ein schlechtes Geschäft macht. Es liefert Güter und Dienste an das Ausland und bekommt dafür keinen vernünftigen Gegenwert, sondern nur Forderungen.

Etwas zugespitzt: Deutschland liefert Porsche ans Ausland und erhält dafür Papier(geld). Es müsste schon aus Eigeninteresse bestrebt sein, seinen Überschuss abzubauen.  

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