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Aktualisiert am 22.10.2023 - 10:13 Uhrin AnalysenLesedauer: 7 Minuten

In der Zinsfalle Der Finanzsektor taumelt auf eine neue Krise zu

Nashorn-Skulptur mit Vonovia Schriftzug
Nashorn-Skulptur mit Vonovia Schriftzug: Steigende Zinsen und hohe Finanzierungskosten setzen dem Immobilienkonzern zu. | Foto: Imago Images / snowfieldphotography

Die Märkte für Geschäftsimmobilien sind in der Schockstarre. Transaktionen finden kaum noch statt. Und wenn, dann geben sie ein hässliches Bild ab. Der 40-stöckige Union Bank Tower im Zentrum von Los Angeles wurde soeben für 110 Millionen US-Dollar verkauft. Vor zwei Jahren wurde der Wert des Büroturms noch auf 250 Millionen geschätzt. Doch etwas Gravierendes hat sich seither geändert: Die Zinsen sind rasch und massiv gestiegen.

Der Haupttreiber des großen Immobilienbooms der letzten Dekade fällt damit weg. Weil die Zinsen ständig sanken, wurden in den USA Geschäftsimmobilien vor kurzem nur noch mit 4,5 Prozent Mietrendite gehandelt. Das war ein attraktiver Ertrag, solange es am US-Anleihenmarkt knapp 1 Prozent gab und sich die Immobilienkäufer mit 3 Prozent Kreditzinsen finanzieren konnten. Doch jetzt liegen die Zinsen für sichere Staatsanleihen am kurzen Ende bei 4 Prozent und die Zinsen für die Immobilienfinanzierung entsprechend höher bei 6 bis 7 Prozent.

Peter Frech
Peter Frech © Quantex AG

Damit ist klar, dass die Preise für Liegenschaften fallen müssen, bis die Mietrendite in Relation zu den Schuldzinsen wieder stimmt. Denn die Mieten lassen sich nicht über Nacht verdoppeln. Schon gar nicht bei Büroflächen, die mit dem Home-Office-Trend zu kämpfen haben. Ein Abschlag von gut 50 Prozent wie im Fall des Union Bank Tower ist da durchaus passend zur neuen Realität.

Preise stimmen nicht mehr, Verluste drohen

Noch düsterer sieht das Bild in Europa aus, wo die Zinsen durch die Negativzinspolitik der EZB sogar auf ein tieferes Niveau als in den USA gefallen waren. In deutschen Großstädten wie München waren zuletzt Mietrenditen von 2,5 Prozent üblich – mickrig, aber immer noch besser als Negativzinsen auf dem Bankkonto oder bei langlaufenden Staatsanleihen. So dachten zumindest große Pensions- und Immobilienfonds wie auch viele Privatanleger.

Die mangelnden Alternativen an sicheren Renditen lockten eine ganze Generation von Investoren und Anlagevehikeln in die Zinsfalle. Doch jetzt hat die Falle zugeschnappt und die Zinsen sind wegen der Inflation rasch angestiegen: Bei sicheren deutschen Bundesanleihen gibt es bereits wieder 3 Prozent am kurzen Ende. Der gesamte Kapitalmarkt wird damit zerrüttet: Die alten Preise stimmen nicht mehr, sind nicht mehr finanzierbar und massive Verluste drohen. Ganze Sektoren sind irgendwo zwischen Schockstarre und Leugnung der Probleme gefangen.

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Immobilienpapiere werden zu Schrott

Der Run auf die Immobilienfirmen hat begonnen. Der Stoxx 600 Real Estate Index hat in den letzten zwölf Monaten 40 Prozent verloren. Gemäß Berechnungen von Bloomberg werden bereits 62 Milliarden Euro an Obligationen von Immobilienfirmen wie Schrottpapiere gehandelt, obwohl sie formell noch ein Investment-Grade-Rating aufweisen. 

Die deutsche Vonovia ist ein Titel darunter. Die Analyse für die Short-Seller ist schnell gemacht: Die Mietrendite auf dem Portfolio von 92 Milliarden Buchwert beträgt gerade mal 3 Prozent. Die aktuellen Refinanzierungskosten Vonovia's am Anleihenmarkt liegen jedoch bei über 5 Prozent. Die Immobilien müssten um die Hälfte abgewertet werden, damit mit einer Mietrendite von 6 Prozent die Relationen wieder stimmen. Doch dann ist das ganze Eigenkapital weg und die Firma insolvent. Die Alternative wäre höchstens, der deutschen Politik eine Verdoppelung der Wohnungsmieten schmackhaft zu machen…

Vonovia ist jedoch kein prominenter Einzelfall, sondern symptomatisch für die Probleme der Branche in allen westlichen Ländern. Auch viele Immobilienfonds sind betroffen. Der riesige Blackstone B-REIT wird seit Monaten von Rücknahmegesuchen überrannt. Im März wollen die Anleger 4,5 Milliarden Dollar aus dem 70 Milliarden schweren Fonds abziehen. Blackstone erlaubte nur den Abfluss von 666 Millionen. Zudem hat ein anderes Immobilien-Vehikel von Blackstone eine Anleihe über 531 Millionen Euro nicht bedient. Für die Besitzer von Geschäftsliegenschaften ist es bereits oft attraktiver, die Zahlungsunfähigkeit zu erklären und ihre Immobilien den Gläubigern zu überlassen.