Marco Näder von Wellington Management „Der Privatkundenmarkt wandelt sich radikal“
Stichwort Artikel-9-Fonds: Inwiefern spielen Trends am Anlagemarkt für Sie eine Rolle?
Näder: Um Trends kommen wir natürlich kaum herum. Nehmen Sie Nachhaltigkeit. Allerdings hat Wellington nie viel Aufhebens um ein Thema gemacht – und war trotzdem oft unter den Pionieren. Das hat damit zu tun, dass wir von der institutionellen Seite kommen. Wellington hat zum Beispiel sehr früh Klimarisiken in seinen Portfolios berücksichtigt. Dafür gab es eine Zusammenarbeit mit dem Massachusetts Institute of Technology und dem Woodwell Climate Research Center.
Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?
Näder: Wir haben schon 2007, also noch lange vor der Pariser Konvention, unseren ersten Klimafonds aufgelegt, die Climate Strategy. Wir sind außerdem Gründungsmitglied der Net-Zero-Asset-Managers-Initiative. Wenn wir etwas machen, dann entweder richtig oder gar nicht. ESG ist für uns eine Frage der Überzeugung und des Konzepts.
Sie bezeichnen Wellington als eine Fondsboutique. Da denkt man unwillkürlich an eine Spezialisierung. Allerdings hat Wellington ein sehr breites Angebot. Wie passt das zusammen?
Näder: Ja, wir sind Vollsortimenter mit 70 Ucits-Fonds plus Spezialanlagen wie Private Equity und Alternative Investments. Boutique – das fußt auf unserer Firmenstruktur. Wellington ist im Besitz von aktuell 192 Partnern. Wir leben bewusst eine Sowohl-als-auch-Kultur. Es können viele unterschiedliche Meinungen nebeneinander bestehen.
Die Flut hebt alle Boote – und die triste Ebbe an den Kapitalmärkten zieht aktuell manche mehr, manche weniger nach unten. Wie können Anleger Kurs halten?
Näder: Eine pauschale Antwort fällt mir da schwer. Wir sprechen bilateral mit unseren Kunden und klopfen dabei unter anderem deren Risikoprofil ab. So nähern wir uns dem, was wir für den nächsten Sweet Spot an den Märkten halten. Momentan sehen wir beispielsweise einen guten Zeitpunkt, um in den europäischen High-Yield-Markt wiedereinzutreten. Die Risikoaufschläge sind deutlich gestiegen, Zahlungsausfälle von Schuldnern sind eingepreist. Im Dachfondsgeschäft gehören aktuell Hochzinser und Schwellenlandanleihen zu den wenigen Märkten, in denen Kunden Potenzial sehen. Durch die Regulatorik sind im Privatkundenmarkt Konzepte gefragt, die nachhaltige Vorbilder versammeln und bei denen die Fondsgesellschaften auf Stewardship setzen, also aktives Engagement bei den Unternehmen betreiben, in die sie investieren.
Was erwarten Sie von den Märkten im letzten Jahresquartal, und wie richten Sie Ihre Allokation darauf aus?
Näder: Der deutsche Privatkundenmarkt steht vor einem radikalen Wandel. Regulatorik wie die Offenlegungsverordnung SFDR und die Abfrage von Nachhaltigkeitsvorlieben müssen massiv in den Beratungsprozess integriert werden. Kunden wollen ihren individuellen Nachhaltigkeits-Fußabdruck bekommen. Das ist beispielsweise im Alternatives-Bereich schwierig. Hier beobachten wir, dass das Interesse an unserer marktneutralen Klimastrategie steigt. In Kundengesprächen ist auch das Thema europäische Hochzinsanleihen auferstanden. Für den High-Yield-Bereich erwartet unser Manager Konstantin Leidman, dass sich die Lage trotz drohender Rezession beruhigen wird. Er hält ein Rezessionsszenario in einigen Teilen des Anleihemarkts für weitestgehend eingepreist.
Über den Interviewten:
Marco Näder ist seit April 2021 für Wellington Management tätig und hat dort die Position des Leiters Fund Buyer Business in Deutschland inne. Er arbeitet von Frankfurt aus. Zuvor war Näder 15 Jahre lang in leitenden Positionen für den Asset Manager Fidelity aktiv. In der Vergangenheit hat er außerdem für Allianz Global Investors und Goldman Sachs gearbeitet.